Süddeutsche Zeitung

Schmerzmittel:Manche Schmerzmittel erhöhen Risiko für Herzstillstand

Lesezeit: 2 min

Von Werner Bartens

Sie gelten als ebenso harmlose wie populäre Pillen. Wenn es in den Gelenken zwickt, das Kreuz schmerzt oder der Körper mit anderen Belästigungen vorstellig wird, bieten Ibuprofen, Diclofenac und Co. zuverlässig und schnell Abhilfe. Der englische Begriff "Painkiller" zeigt anschaulicher noch als im Deutschen, was von den Schmerzmitteln erwartet wird.

Da sie bei Rheuma, Migräne, Arthrose und anderen häufigen Leiden verwendet werden, gehören die von Ärzten als Nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAID) bezeichneten Mittel zu den weltweiten Bestsellern unter den Medikamenten. Mehr als die Hälfte der Erwachsenen in den wohlhabenden Ländern greift mindestens einmal im Jahr zu den Arzneiklassikern.

"Studien haben aber immer wieder den Verdacht genährt, dass die Mittel mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko einhergehen."

Seit Jahren mehren sich allerdings die Hinweise, dass die beliebten Schmerzlöser alles andere als harmlos sind. Verschiedene Studien haben Hinweise dafür erbracht, dass insbesondere Ibuprofen und Diclofenac das Risiko für Herzkreislaufleiden erhöhen. In der aktuellen Ausgabe des European Heart Journal: Cardiovascular Pharmacotherapy zeigen Kardiologen und Notärzte aus Dänemark, dass die Medikamente das Risiko für einen Herzstillstand erhöhen.

Die Mediziner um Gunnar Gislason von der Uniklinik Kopenhagen hatten nahezu 29 000 Fälle genauer untersucht, in denen Menschen in den Jahren zwischen 2001 und 2010 außerhalb der Klinik einen Herzstillstand erlitten. Mehr als 3300 von ihnen hatte im Monat zuvor an der Mehrzahl der Tage eines der populären Schmerzmittel genommen. Nach sorgfältigen Analysen kam das Ärzteteam zu dem Ergebnis, dass Diclofenac die Wahrscheinlichkeit um 50 Prozent und Ibuprofen um 31 Prozent erhöht, dass das Herz aussetzt.

"Wenn Medikamente ohne Beschränkung, rezeptfrei und ohne ärztlichen Rat gekauft werden können, kommt bei den meisten Menschen an, dass sie sicher sein müssen", sagt Gislason. "Studien haben aber immer wieder den Verdacht genährt, dass die Mittel mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko einhergehen." Zwar mag absolut gesehen die Wahrscheinlichkeit gering sein. Weil die Mittel weltweit so verbreitet sind, ist die Gefahr dennoch nicht zu unterschätzen.

Was ohne Rezept käuflich ist, gilt schnell als unbedenklich

Im vergangenen Herbst hatte eine europaweite Untersuchung im British Medical Journal darauf hingewiesen, dass NSAID das Risiko für Herzschwäche erhöhen. In anderen Studien traten unter den Medikamenten vermehrt Rhythmusstörungen, Infarkte und Schlaganfälle auf. Über den genauen Mechanismus können Wissenschaftler nur spekulieren.

Allerdings ist bekannt, dass die beliebten Schmerzmittel die Neigung der Blutplättchen verstärken zu verklumpen und so Thrombosen und Embolien auslösen könnten. Zusätzlich stimulieren die Medikamente die Arterien dazu, sich zu verengen, sodass der Blutdruck ansteigt. Zwar beweist die aktuelle Untersuchung keinen kausalen Zusammenhang zwischen Medikamenteneinnahme und Herzstillstand, doch die Vielfalt der beobachteten kardiovaskulären Leiden und die bekannten Wirkungen der Mittel auf Blut und Gefäße gelten vielen Forschern als zuverlässige Indizien.

Arzneimittelbehörden in verschiedenen Ländern wie auch die Europäische Arzneimittelagentur EMA haben Diclofenac schon länger ein erhöhtes Risiko zugeschrieben. In Deutschland ist das Medikament deshalb verschreibungspflichtig und kann nur in geringer Konzentration rezeptfrei gekauft werden. Ibuprofen ist bis zur Dosis von 400 Milligramm rezeptfrei erhältlich; Schmerzpatienten erhalten unter ärztlicher Kontrolle schon mal die drei- bis vierfache Dosis.

Da die Beschränkungen in jedem Land unterschiedlich sind und auch in Deutschland mehrere Packungen gehortet werden können, warnen die dänischen Ärzte davor, nicht mehr als 1200 Milligramm Ibuprofen am Tag zu nehmen. "In Supermärkten und Tankstellen sollten diese Mittel überhaupt nicht verkauft werden - und von den rezeptfreien Mitteln haben Apotheken am besten nur geringe Mengen und niedrige Dosierungen vorrätig", rät Gunnar Gislason.

Es geht schließlich um das Risikobewusstsein, dass es sich auch bei beliebten Schmerzmitteln nicht um harmlose Drops, sondern um Medikamente mit Wirkung und Nebenwirkung handelt. Immerhin ist sogar der Arzneimittelklassiker Aspirin jedes Jahr die Ursache für mehrere Todesfälle. ASS verdünnt das Blut und kann im Extremfall fatale Blutungen - besonders im Magen-Darm-Trakt - auslösen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3422315
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 17.03.2017
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.