Eingeschränkter Schmerzmittel-Verkauf:"Vier Stunden Wirkung, vier Tage Nebenwirkung"

Aspirin und verwandte Schmerzmittel sind nur noch in kleinen Dosen rezeptfrei erhältlich Der Pharmakologe Kay Brune über die Gefahren dieser Allerweltsmittel und ihren Missbrauch.

Berit Uhlmann

Schluss mit Vorratspackungen von Schmerztabletten: Die gängigsten frei verkäuflichen Schmerzmittel werden nur noch in kleinen Dosierungen in der Apotheke erhältlich sein: Acetylsalicylsäure (Aspirin), Diclofenac, Ibuprofen und Naproxen werden lediglich in solchen Mengen rezeptfrei bleiben, die für vier Tage reichen. Paracetamol ist schon seit 2009 nur noch in kleineren Packungen frei verkäuflich. Über die Vor- und Nachteile dieser Entscheidungen spricht Kay Brune, Pharmakologe an der Universität Erlangen-Nürnberg.

Schmerzmittel-Verkauf soll eingeschränkt werden

Schmerzmittel sollen künftig nicht mehr in unbegrenzten Mengen verfügbar sein.

(Foto: dpa)

Süddeutsche.de: Alle bekannten Schmerzmittel werden nun nur noch in kleineren Packungen erhältlich sein, um den Verbraucher zu schützen. Was macht sie so gefährlich?

Kay Brune: Frei verkäuflich heißt nicht harmlos. Vor allem die Allerweltsmittel Aspirin und Paracetamol können starke Nebenwirkungen haben. Aspirin entfaltet seine schmerzlindernde Wirkung für etwa vier Stunden, zeigt aber Nebenwirkungen für vier Tage. Ich spreche von Störungen der Blutgerinnung: Das Medikament verdünnt das Blut. Diese Wirkung endet eben nicht mit der schmerzhemmenden Wirkung der Tablette, sondern hält Tage lang an. Welcher Verbraucher weiß das schon? Blutungen sind die große Gefahr dieses Wirkstoffes.

Paracetamol wiederum kann vor allem zu Leberschäden bis hin zum Leberversagen führen. Das Problem ist, dass es sehr leicht überdosiert werden kann, weil es auch in vielen Kombinationspräparaten enthalten ist, und so schnell eine kritische Dosis erreicht wird.

Süddeutsche.de: Sie haben sich in der Vergangenheit dafür ausgesprochen, Paracetamol nur noch auf Rezept auszugeben ...

Brune: Ja, ich hatte beim BfArM einen entsprechenden Antrag eingereicht. Er wurde nicht angenommen, was ich sehr bedaure. Ich finde, ein Medikament, bei dem eine Verdopplung der empfohlenen Dosis bereits tödlich sein kann, gehört nicht in den freien Verkauf.

Ich sehe allerdings auch, dass es sehr schwer wäre, wenn Deutschland als einziges Land den freien Verkauf untersagen würde. Ärzte fürchten zudem, dass die Patienten nicht ausreichend mit Schmerzmitteln versorgt sind, wenn sie sich jedes Mal für Paracetamol ein Rezept ausstellen lassen müssen.

Was bringen Abgabe-Begrenzungen?

Süddeutsche.de: Paracetamol ist schon seit 2009 nur noch eingeschränkt zu kaufen. Überdosierungen kommen aber nach Angaben der Giftnotrufzentralen genauso häufig vor wie vorher. Ist die Begrenzung der Packungsgrößen überhaupt wirkungsvoll? Ich kann mir meinen Vorrat doch in verschiedenen Apotheken zusammenkaufen.

Brune: Natürlich kann jeder von Apotheke zu Apotheke gehen. Es geht hier eher um das psychologische Signal: Schmerzmittel sind keine Lutschbonbons, die ich in beliebiger Menge konsumieren kann. Ob man damit de facto Missbrauch verhindern kann, ist allerdings fraglich.

Süddeutsche.de: In welchen Bereichen gibt es denn Missbrauch?

Brune: Missbrauch ist zum Beispiel bei Sportlern, auch Hobbysportlern, ein zunehmendes Problem. Sie nehmen oft schon im Vorfeld Analgetika ein, um möglichen Schmerzen vorzubeugen und besser durchzuhalten. Diese Vorab-Einnahme aber ist problematisch. Wir haben gerade in einer Untersuchung gezeigt, dass dabei häufiger Magen- und Nierenblutungen und selbst Herzinfarkte auftreten als bei den Sportlern, die Medikamente nach der Belastung einnehmen.

Süddeutsche.de: Was raten Sie Menschen mit gelegentlichen Schmerzen?

Brune: Sie sollten nur dann freiverkäufliche Medikamente einnehmen, wenn sie tatsächlich Schmerzen haben, die sie erfahrungsgemäß mit dem jeweiligen Mittel in den Griff bekommen können. Herumzuexperimentieren ist gefährlich. Schmerzmittel sollten außerdem nicht länger als drei Tage eingenommen werden, sonst können sie Krankheiten verdecken oder zu Krankheiten wie Blutdruckerhöhung und damit zu Herzinfarkt und Schlaganfall führen. Sportler sollten Medikamente, wenn überhaupt nötig, grundsätzlich erst nach dem Sport verwenden.

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