Bergsport:Schlittenfahren ohne Helm ist wie Fahrradfahren ohne Helm

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Wintersportler mit Schlitten im Harz. Noch ist der Helm beim Rodeln die Ausnahme. (Foto: Swen Pförtner/dpa)

Vielerorts ist Neuschnee angesagt. Schlittenfahrer stürmen die Pisten - und verunglücken schnell. Dabei sind viele Verletzungen vermeidbar.

Von Kristina Kobl

Mitte Januar korrigierte das österreichische Kuratorium für Verkehrssicherheit seine Prognosen für die Skiunfälle nach oben. Mehr Menschen als ursprünglich erwartet sind auf den Pisten unterwegs und wenn der Winterurlaub auf den heimischen Hügeln und Bergen stattfindet, steigt das Unfallrisiko. Hinfliegen statt wegfliegen also. Doch nicht nur auf Ski und Snowboard besteht Verletzungsgefahr, sondern auch auf dem Schlitten. Mehr als 2200 Menschen verletzen sich jährlich bei Rodelunfällen in Österreich, wie Daten aus dem Jahr 2020 zeigen. Etwa die Hälfte davon sind Kinder und Jugendliche.

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Auch in den deutschen Alpenregionen in den Mittelgebirgen und selbst am Rodelberg in der Stadt kommt es zu Unfällen im Schnee. Allein in der Unfallklinik Murnau in Oberbayern landen pro Wintersaison etwa 50 Menschen, die nach Rodelunfällen operiert werden müssen, sagt Fabian Stuby, Ärztlicher Direktor der Unfallklinik und Chefarzt für Unfallchirurgie, Orthopädie und Chirurgie in Murnau. Etwa 30 Prozent der im Klinikum behandelten Wintersportunfälle seien Rodelunfälle. Die Art der Verletzungen ist altersabhängig: Bei Älteren sind es eher Fuß- und Unterschenkelverletzungen, bei Kindern betrifft es eher die Wirbelsäule und den Kopf - weil diese meist riskanter fahren und häufig mit dem ganzen Schlitten umfallen.

Bereits ab einer Geschwindigkeit von zehn Kilometern pro Stunde kann es zu gefährlichen Kopfverletzungen kommen

Ski-Unfälle seien zwar viel häufiger Grund für eine stationäre Behandlung und Operation, sagt Stuby. Doch während beim Skifahren inzwischen fast 80 Prozent der Deutschen einen Helm tragen, ist das beim Schlittenfahren noch nicht üblich. "Ich habe noch nie einen Rodelunfall erlebt, bei dem jemand einen Helm getragen hat", sagt Christopher Spering, Oberarzt an der Klinik für Unfallchirurgie, Orthopädie und Plastische Chirurgie der Universitätsmedizin Göttingen.

Meistens passieren die Unfälle durch den Zusammenstoß von zwei Schlitten oder die unkontrollierte Fahrt gegen einen Baum, oft mit hoher Geschwindigkeit. Bremsen und Lenken klappt auf dem Schlitten nicht immer gut. Die häufigsten Verletzungen dabei seien Beinbrüche und Schädel-Hirn-Traumata, leichte bis schwere, erklärt der Unfallchirurg. Bei den Beinbrüchen hilft ein Helm zwar wenig - ein Schädel-Hirn-Trauma kann er durchaus verhindern. Spering vergleicht das Verletzungsmuster, wenn beim Schlittenfahren kein Helm getragen wird, mit dem von ungeschützten Verkehrsteilnehmern wie etwa Fahrradfahrern.

Warum tragen dann nur Skifahrer einen Helm? Dazu gibt es ein paar Überlegungen: Beim Skifahren gehört der Helm mittlerweile zur Ausrüstung dazu und der Ausflug ist meist gut vorbereitet. Anders beim Schlittenfahren - auf den Schlitten steigt man auch mal spontan. Doch auch spontan kann gefährlich sein: Bereits ab einer Geschwindigkeit von zehn Kilometern pro Stunde kann es zu gefährlichen Kopfverletzungen kommen. Ein Helm schützt davor, zeigt eine Untersuchung der Technischen Universität Graz - unabhängig davon, ob das Hindernis vor oder neben dem Schlitten auftauchte. Die zweite Erkenntnis: Fahren Kinder gemeinsam mit Erwachsenen auf einem Schlitten, so sind sie hinten besser geschützt.

Von anderen Sportarten wie dem Radfahren ist bekannt, dass das Helmtragen die Risikobereitschaft erhöht - und dadurch wiederum häufiger Unfälle passieren können. Es ist also nicht der Helm allein, der das Schlittenfahren sicherer macht. Fabian Stuby von der Unfallklinik Murnau empfiehlt zusätzlich zu einem Helm das Tragen von Rückenprotektoren. Außerdem sollten breite, freiliegende Rodelpisten gewählt werden, an denen nicht links und rechts überall Bäume stehen. "Man sollte sich die Strecke außerdem vorher anschauen", betont der Göttinger Unfallchirurg Spering. "Und natürlich nicht alkoholisiert fahren."

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