Schlafforschung:Morgenmuffel? Die Gene sind schuld

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(Foto: iStockphoto)

"Fauler Sack", bekommen Menschen zu hören, die gerne ausschlafen. Eine Studie zeigt: Sie können nichts dafür. Mit einigen Tricks kommen Spätaufsteher dennoch gut aus dem Bett.

Von Felix Hütten

"Unmittelbar nach dem Aufwachen ist man am klügsten", soll einst Konrad Adenauer gesagt haben, der als Frühaufsteher bekannt war. Jetzt ist es ja so, dass Frühaufsteher tatsächlich als die gesünderen, klügeren (Adenauer!) und schlankeren Menschen gelten. Darüber freuen sich Morgenmenschen, ihr Image ist enorm. Abendmenschen hingegen leiden unter dem Faulpelzvorwurf, trumpfen aber gegenüber Frühaufstehern mit zwei Argumenten auf.

Erstens sind sie - zumindest gefühlt - in der Mehrheit, in der man sich - zweitens - beim Feierabendbier prima über Kollege Morgentyp lustig machen kann. Der hängt nämlich nach einer Stunde in den Seilen und verabschiedet sich mit einem "Ich muss morgen früh raus".

15 ähnliche Positionen im Erbgut

Eine aktuelle Studie aus den USA, erschienen im Fachmagazin Nature Communications, liefert nun zweitens Hinweise, dass unsere Gene daran nicht unbeteiligt sind. Die Forscher untersuchten das Erbgut von etwa 90 000 Menschen auf Schlafgene. Die DNA-Daten hatten die Probanden dem nicht unumstrittenen Unternehmen 23andMe freiwillig für Genanalysen zur Verfügung gestellt.

In einer begleitenden Umfrage gaben die Teilnehmer an, ob sie sich eher als Morgentyp oder als Abendmensch sehen. Tatsächlich konnten die Wissenschaftler bei den Morgentypen 15 ähnliche Positionen im Erbgut bestimmen. Sieben dieser Abschnitte liegen sogar in der Nähe von bereits bekannten Genen, die vermutlich den Schlaf-Wach-Rhythmus regulieren.

Weitere Studien liefern Hinweise darauf, dass Morgen- und Abendtyp keine Lifestyleerfindung von verwöhnten Großstädtern ist. So steigt beispielsweise bei Abendmenschen die Körpertemperatur erst später an als bei Frühaufstehern. Auch die Ausschüttung von Melatonin, einem wichtigen Schlaf-Wach-Hormon, ist bei Morgenmuffeln verschoben.

Mehr Respekt gegenüber der inneren Uhr

Tatsächlich ist der Schlaf eine Grundkomponente der Gesundheit, die immer wieder missachtet wird. Der Wissenschaftsautor Peter Spork beschreibt in seinem Buch "Wake up", wie Menschen auf der Suche nach einem gesunden Leben inklusive Biolebensmitteln und Impfbedenken eines vergessen: den gesunden Schlaf. Der Autor plädiert für Tagesregeln, die zunächst banal klingeln: Mehr frische Luft, mehr Tageslicht, mehr Freiheiten im Job und vor allem: mehr Respekt gegenüber der inneren Uhr.

Studien geben ihm Recht. Ein Leben gegen den inneren Rhythmus kann Krankheiten hervorrufen: Diabetes, Übergewicht, Konzentrationsstörungen. Es mag wie eine Utopie klingen, tatsächlich ist die Frage aber berechtigt: Sollten wir den Wecker abschaffen?

Schluss mit snoozen!

Dahinter steckt die Erkenntnis, dass der menschliche Körper eigentlich einen eigenen Wecker besitzt. Der so genannte circadiane Rhythmus steuert Schlaf- und Wachphasen über Licht und Hormone. Licht ist ein wichtiger Taktgeber für die innere Uhr - selbst dann, wenn wir die Augen geschlossen halten. Unter der Netzhaut liegen Nervenzellen, die keine Formen oder Farben wahrnehmen, sondern Helligkeit. Diese Zellen bilden das Protein Melanopsin und melden über einen komplexen Signalweg dem Gehirn, ob es draußen hell oder dunkel ist.

Morgens und abends Licht tanken

Menschen, die unter freiem Himmel arbeiten, haben daher mit der inneren Uhr weniger Probleme als Menschen im Büro. Selbst ein bewölkter Himmel strahlt mit etwa 5000 Lux - eine Deckenlampe kommt gerade mal auf ein Zehntel. Christian Cajochen, Chronobiologe an der Universität Basel, empfiehlt Büromenschen deshalb, morgens und abends Licht zu tanken, um die innere Uhr nicht aus dem Gleichgewicht zu bringen.

Tatsächlich, sagt Alfred Wiater, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin, sei es am gesündesten, wenn man morgens von alleine aufwacht. Doch: "Die innere Uhr der meisten Menschen steht nicht im Einklang mit den zivilisatorischen Anforderungen des frühen Aufstehens", so Wiater. Ein Abendmensch wird sich morgens eher quälen, fulminante Leistungen abzuliefern - daran lässt sich schwer etwas ändern.

Allerdings können Menschen "ihren Schlaf- Wach-Rhythmus mit den sozial auferlegten Arbeitszeiten abstimmen", schreibt der Chronobiologie Christian Cajochen in einer Fachpublikation. Die Betonung liegt auf Rhythmus, denn der Körper kann sich eher gegen seine innere Uhr auflehnen, wenn er es regelmäßig tun muss. Besonders leiden deshalb Schichtarbeiter, die ständig zwischen Tag und Nachtarbeit wechseln.

Wer also entgegen seiner inneren Uhr morgens früh aus dem Bett muss, kann zusätzlich ein paar Tricks beachten. Zum Beispiel: Schluss mit snoozen. Wecker an, Wecker aus, Wecker an - das stört den Schlafrhythmus und verlängert die Qual des Wachwerdens, sagt Wiater. Hinzu kommt: Medienhygiene im Schlafzimmer!

Das Smartphone lautlos zu stellen, reicht nicht. Raus aus dem Zimmer damit. Alleine der Gedanke, mit einem Handgriff im Internet zu sein, koste Aufmerksamkeit und behindere das entspannte Einschlafen und Aufwachen, sagt Wiater. Erholsamer Schlaf sollte absoluten Vorrang haben vor Handy und Emails.

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