Süddeutsche Zeitung

Schilddrüsenunterfunktion:Müde, schlapp, blass

Allerweltssymptome und umstrittene Grenzwerte: Eine Schilddrüsenunterfunktion ist nicht immer leicht zu diagnostizieren.

Von Katrin Neubauer

Eine Schilddrüsenunterfunktion entwickelt sich in der Regel schleichend über Jahre, oft unbemerkt. Häufig entsteht der Mangel an Schilddrüsenhormonen infolge einer Entzündung der Schilddrüse, zum Beispiel der Autoimmunerkrankung Hashimoto-Thyreoiditis. Auch nach der Behandlung einer Überfunktion kommt es meist zu einer Unterfunktion, auch Hypothyreose genannt. Jodmangel spielt dagegen keine so große Rolle mehr wie noch vor 30 Jahren.

"Oft wird eine Unterfunktion per Zufall durch eine Blutuntersuchung entdeckt", sagt Matthias Weber, Leiter der Endokrinologie der Universitätsklinik Mainz und Sprecher der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE). Mitunter kommen Betroffene aber auch mit den typischen Beschwerden in die Praxis. Zu ihnen gehören Müdigkeit, Konzentrations- und Gedächtnisschwäche, stumpfe, trockene Haare und Haarausfall, weniger sexuelles Verlangen, niedriger Blutdruck und nachlassende Leistungsfähigkeit. Die Patienten haben bisweilen einen langsamen Puls und können extrem kälteempfindlich sein. Manchmal kommt es durch Wassereinlagerungen zu Schwellungen, zum Beispiel der Augenlider. Verstopfungen, Zyklusstörungen bei Frauen und eine schuppige, blassgelbe Haut sind weitere Anzeichen.

Schwierige Grenzwert-Bestimmung

Ob die Symptome tatsächlich die Folge einer Hypothyreose sind, lässt sich in einer Blutuntersuchung klären. Entscheidend ist vor allem der TSH-Wert. Das Hormon TSH wird in der Hirnanhangdrüse gebildet. Diese misst, wieviel Schilddrüsenhormon sich im Blut befindet. Ist die Menge zu gering, schüttet sie mehr TSH aus, um die Hormonbildung anzuregen. Daher ist der TSH-Wert bei einer Unterfunktion in der Regel erhöht. Ist ein Schilddrüsen-Unterfunktion bestätigt, bekommen die Patienten Schilddrüsenhormone (L-Thyroxin) zum Einnehmen. Die Dosis sollte regelmäßig überprüft und eventuell immer wieder neu angepasst werden.

Doch nicht immer ist die Situation eindeutig. "Bevor eine Behandlung beginnt, sollte immer ein zweiter Bluttest den ersten Befund bestätigen und eine Untersuchung beim Hormonspezialisten durchgeführt werden", sagt Weber: "Die Hormonwerte unterliegen Schwankungen." Ein hoher TSH-Pegel kann sich nach wenigen Wochen wieder normalisiert haben. "In der Praxis setzen Ärzte manchmal zu schnell auf Medikamente", meint der Endokrinologe. "In vielen dieser Fälle kann es die bessere Strategie sein, abzuwarten und regelmäßig zu kontrollieren. Sonst behandelt man Werte, keine Symptome", sagt Weber.

Strittig ist unter Medizinern, wie leicht erhöhte Grenzwerte zu behandeln sind. Als erhöht gilt ein Wert oberhalb von 4,0 mU/l. Einige Mediziner sind der Ansicht, dass Patienten schon bei Werten ab 2,5 mU/l Medikamente einnehmen sollten, vor allem wenn sie über Symptome klagen.

Weber dagegen verweist darauf, dass Beschwerden wie Müdigkeit, Konzentrations- und Leistungsschwäche oder Gewichtszunahme unspezifisch sind und keineswegs an der Schilddrüse liegen müssen. "Das Organ wird oft zu Unrecht für Beschwerden anderen Ursprungs verantwortlich gemacht", so der Arzt.

In solchen Fällen können die Medikamente auch gesundheitliche Nachteile haben. "Wird zu viel Hormon gegeben, kann der Regelkreis unterdrückt und künstlich eine leichte Überfunktion erzeugt werden", erläutert Weber. Nebenwirkungen könnten Herzrhythmusstörungen und ein erhöhtes Osteoporoserisiko sein.

Karl-Michael Derwahl, Internist und Ärztlicher Direktor im St. Hedwig-Krankenhaus in Berlin sagt: "Unter der Behandlung einer Schilddrüsenunterfunktion mit Schilddrüsenhormonen muss der TSH-Wert im Normalbereich zwischen 0,4 und 4,0 mU/l liegen. Der TSH-Zielwert innerhalb dieses Bereiches sollte sich dann nach dem Wohlbefinden des Patienten richten".

Eine Ausnahme gilt für Schwangere und Frauen mit Kinderwunsch. Da eine leichte Unterfunktion Wachstums- und Entwicklungsdefizite des Ungeborenen zur Folge haben kann, sollten werdende Mütter auch bei grenzwertigen Schilddrüsen-Werten medikamentös behandelt werden.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2869269
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
Sz.de/beu
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.