Irgendwann musste Katja W. mitten im Joggen abbrechen. Sie bekam kaum noch Luft. Beim Treppensteigen legte die 38-Jährige immer wieder Pausen ein. Zunächst hielt sie diese Symptome ebenso wie ihre heisere Stimme für die Nachwirkungen eines heftigen Infekts. Ihre Unruhe und Nervosität schob die Zahnärztin auf die bevorstehende Übernahme einer eigenen Praxis. Und dass sie trotz reichhaltiger Mahlzeiten abnahm, schrieb sie ihrer guten "Futterverwertung" zu. Als sie schließlich zum Arzt ging, lautete die Diagnose: Schilddrüsenüberfunktion.
Bei der auch Hyperthyreose genannten Störung leiden die Patienten unter Herzrhythmusstörungen, ständigem Hitzegefühl, schnellem oder unregelmäßigem Puls, Unruhe, Gewichtsverlust, Durchfall, Nervosität, Anspannung, Zittern, Bluthochdruck, Schlafstörungen und unregelmäßigen Monatsblutungen. "Die Überfunktion ist eine ernste Erkrankung, die von Fachärzten behandelt werden sollte", sagt Matthias Weber, Leiter der Endokrinologie der Universitätsklinik Mainz und Sprecher der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE).
Bei der Überfunktion schüttet die Schilddrüse zu viele Hormone aus. Stoffwechsel und Kreislauf werden angekurbelt. "Der Organismus läuft auf Hochtouren und befindet sich in einer ständigen Überlastung", erläutert der Endokrinologe. Eine Überfunktion ist jedoch selten; sie kommt bei unter einem Prozent der Deutschen vor. Für die Hormonschwemme kann es viele Ursachen geben. Am häufigsten wird die Überfunktion durch eine Autoimmunerkrankung wie Morbus Basedow oder durch sogenannte heiße Knoten ausgelöst.
Knoten im Schilddrüsengewebe produzieren unabhängig von der Hirnanhangdrüse unkontrolliert Hormone. "Oft wird die Knotenbildung durch Jodmangel begünstigt", sagt Weber. Um den Mangel auszugleichen, erweitert das Organ seine Hormonproduktion in den Knoten quasi im Alleingang. Ein solcher Knoten muss allerdings nicht zur Überfunktion führen, denn häufig regelt der Körper die Hormonproduktion der autonomen und gesunden Areale so, dass der Gesamtspiegel im Rahmen bleibt.
Die Hormonwerte schnellen meist erst dann in die Höhe, wenn plötzlich zu viel Jod aufgenommen wird, zum Beispiel durch jodhaltige Medikamente oder Röntgenkontrastmittel. "Seefisch oder der tägliche Gebrauch von jodiertem Speisesalz haben jedoch keinen nennenswerten Einfluss auf die Schilddrüsenfunktion", so Weber.
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Welche Ursache einer Überfunktion zugrundeliegt, lässt sich in einer Blutuntersuchung und im Ultraschall feststellen. Mitunter kann der Arzt bereits beim Abtasten des Halses spüren, ob Knoten vorhanden sind. "Bei einer Überfunktion ist der TSH-Wert im Blut sehr niedrig. In schweren Fällen ist er gar nicht mehr messbar", sagt Weber. Das Hormon TSH regt die Hormonbildung an. Zirkulieren bereits zu viele Hormone im Blut, ist sein Wert extrem niedrig.
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Zusätzlich wird die Schilddrüse im Ultraschall nach Veränderungen wie Knoten abgecheckt. In einer Schilddrüsenszintigrafie lässt sich feststellen, ob es sich um heiße oder kalte Knoten handelt. Dazu wird dem Patienten ein radioaktiv markierter Stoff gespritzt. Bei einer Überfunktion reichert sich dieser besonders stark dort an, wo heiße Knoten liegen.
Durch Medikamente lassen sich die Symptome einer Überfunktion zunächst schnell lindern oder ganz beseitigen. Sogenannte Thyreostatika ("Schilddrüsenblocker") sorgen dafür, dass die Hormonkonzentration im Blut zurückgeht. Die Ursache für die Überfunktion wird damit jedoch nicht behoben.
Dazu müssen sich Patienten in den meisten Fällen einer Radiojodtherapie oder einer Operation unterziehen. Ärzte beurteilen die Wirksamkeit beider Methoden gleich gut. Mit einer Radiojodtherapie wird Schilddrüsengewebe zerstört, das einen erhöhten Hormonstoffwechsel hat. Dafür wird dem Patienten radioaktives Jod verabreicht. Wegen der Strahlung bleibt er für bis zu fünf Tage in einem isolierten Zimmer im Krankenhaus. Danach kommt es - meist dauerhaft - zu einer Unterfunktion, die durch Tabletten ausgeglichen wird. Bei einer Operation wird Schilddrüsengewebe oder das gesamte Organ entfernt. Auch danach ist eine künstliche Hormongabe durch Tabletten notwendig.
Bei Katja W. hatte der Arzt eine Morbus-Basedow-Erkrankung diagnostiziert. Sie entschied sich nach einem Jahr Tablettentherapie für die Radiojodbehandlung. Seit sechs Jahren nimmt sie Hormontabletten gehen die unvermeidliche Unterfunktion nach der Radiojodtherapie. Die Schilddrüse macht keine Probleme mehr.