Süddeutsche Zeitung

Säuglinge:Antibiotika verringern positive Effekte der Muttermilch bei Babys

Finnische Forscher haben den Einfluss von Antibiotika auf Säuglinge untersucht. Wenn Babys die Medikamente nehmen müssen, schmälert das womöglich den Nutzen des Stillens.

Von Werner Bartens

Muttermilch gilt als optimale Ernährung für Säuglinge. Werden Babys mehrere Monate lang gestillt, bekommen sie in späteren Jahren seltener Infektionen und zudem fällt es Ihnen bis ins Erwachsenenalter leichter, schlank zu bleiben. Mit jedem Monat zusätzlich, den sie gestillt werden, liegt ihr späterer Body-Mass-Index (BMI) um 0,1 Einheiten unter jenem nicht gestillter Kinder.

Aus diesen Gründen empfehlen medizinische Fachgesellschaften, dass Frauen - sofern es ihnen möglich ist - sechs Monate oder länger stillen. Erst danach beginnen die schädlichen Einflüsse des Stillens zu überwiegen: die Schadstoffkonzentration aus der Muttermilch kumuliert, die Nährstoffzusammensetzung ist nicht mehr optimal - und irgendwann steht eine zu enge Mutter-Kind-Bindung dem Sozialleben des Zöglings im Weg.

Vermutlich sind die günstigen Effekte des Stillens auf den Einfluss von Bifidobakterien und anderen Bestandteilen der Muttermilch auf die Darmflora zurückzuführen. Dafür sprechen auch die Ergebnisse finnischer Forscher im Fachmagazin Jama Pediatrics vom heutigen Dienstag. Die Ärzte haben untersucht, wie es sich auf die Entwicklung der Kinder auswirkt, wenn sie während der Stillzeit Antibiotika einnehmen mussten.

Das Team um Katri Korpela von der Universität Helsinki konnten zeigen, dass sie später häufiger unter Infektionen litten, öfter auf weitere Antibiotika angewiesen waren und zudem im Durchschnitt dicker waren als jene Kinder, die während der Stillzeit nicht die Medikamente bekommen hatten.

Gleichgewicht der Darmflora ist in den ersten Lebensmonaten leicht zu stören

"Wahrscheinlich schwächt es die günstigen Auswirkungen einer längeren Stillzeit auf die Gesundheit ab, wenn Kinder während des Stillens Antibiotika bekommen", schlussfolgern die finnischen Autoren. Sie hatten 226 Kinder im Alter zwischen zwei und sechs Jahren untersucht, die alle gestillt worden waren und sich hauptsächlich darin unterschieden, ob sie Antibiotika während der Stillzeit einnehmen mussten oder nicht. Die Daten wurden zwar rückblickend mit Hilfe der Eltern gewonnen, was zu Unschärfen führen kann. Da die Kinder jedoch während der Stillphase an einer Studie zu Ernährungsgewohnheiten teilgenommen hatten, können die Daten als ziemlich zuverlässig gelten.

Das empfindliche Gleichgewicht der Darmflora aus Bakterien, Gallensäuren und Nahrungsbestandteilen ist offenbar in den ersten Lebensmonaten leicht zu stören. Anders können sich die Forscher nicht erklären, dass die positiven Auswirkungen des Stillens auf das Sättigungsgefühl und die Appetitregulation durch die frühe Antibiotikagabe so stark beeinträchtigt werden. Entsprechende Stuhlproben von einem Teil der Kinder bestätigten diese Annahme.

Es gibt zwar diverse Krankheiten, die es erforderlich machen, dass Babys Antibiotika bekommen. "Um die Darmflora nicht fahrlässig zu zerstören und von den Vorteilen des Stillens zu profitieren, ist es aber wichtig, dass die Antibiotikagabe im Kleinkindalter kritisch hinterfragt wird", fordern die italienischen Ärzte Giulia Paolella und Pietro Vajro in einem Kommentar. "Wenn schon Antibiotika nötig sind, sollten sie möglichst zielgerichtet und keine Breitspektrum-Medikamente eingesetzt werden."

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Quelle:
SZ vom 14.06.2016/fehu
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