Atemwegsinfekte:RSV-Infektionen bei Kindern nehmen deutlich zu

Atemwegsinfekte: Viele Kliniken haben keine freien Betten mehr für Kinder mit schweren Atemwegsinfekten.

Viele Kliniken haben keine freien Betten mehr für Kinder mit schweren Atemwegsinfekten.

(Foto: Sebastian Gollnow/dpa)

Derzeit baut sich eine Infektionswelle auf, die einen Notfallmediziner schon jetzt von "Katastrophenzuständen" sprechen lässt.

Während die Zahl der Corona-Infektionen bundesweit rückläufig ist, nahmen die übrigen Atemwegserkrankungen zuletzt deutlich zu. Laut Robert-Koch-Institut (RKI) lag die Zahl der Atemwegsinfekte in der Woche bis 20. November mit etwa sieben Millionen sogar über dem Bereich vorpandemischer Jahre.

Besonders besorgniserregend ist für viele Fachleute der Anstieg der Infektionen mit dem Respiratorischen Synzytial-Virus (RSV). Diese Erreger führen dem RKI zufolge insbesondere bei Kleinkindern vermehrt zu Erkrankungen und Krankenhauseinweisungen. In den kommenden Wochen sei mit weiter steigenden Zahlen zu rechnen, heißt es im RKI-Wochenbericht zur Entwicklung der Corona-Pandemie von Donnerstagabend. "Es ist keine Kurve mehr, sondern die Werte gehen senkrecht nach oben", sagt der Kinder-Intensiv- und Notfallmediziner Florian Hoffmann.

In mehreren Bundesländern, darunter Bayern, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, gebe es schon jetzt kaum ein freies Kinderbett in Kliniken mehr, sagte Hoffmann, Generalsekretär der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) und Oberarzt im Dr. von Haunerschen Kinderspital in München. Er sprach von "Katastrophenzuständen" - Familien mit kranken Kindern müssten teils in der Notaufnahme auf einer Pritsche schlafen. Das sei für Deutschland ein Armutszeugnis. Viele betroffene Kinder seien schwer krank und müssten beatmet werden.

"Wir werden diesen Winter nicht mehr alle versorgen können."

Bereits im Spätsommer 2021 hatte es eine unüblich hohe RSV-Welle gegeben - die Lage aktuell sei aber schlimmer, sagte Hoffmann. Nicht nur in Deutschland, generell auf der Nordhalbkugel gebe es ein "dramatisches epidemisches Geschehen". Betroffen seien viele Kinder im Alter von ein oder zwei Jahren, die - auch angesichts der Corona-Pandemie und der dagegen getroffenen Maßnahmen - bisher keinerlei Kontakt zum RSV hatten, erklärte Hoffmann.

Im aktuellen RKI-Wochenbericht heißt es, die Zahl akuter Atemwegserkrankungen generell sei nach Daten der Online-Befragung "GrippeWeb" im Vergleich zur Vorwoche deutlich gestiegen. In der Woche bis 20. November lag sie demnach mit etwa sieben Millionen über dem Bereich vorpandemischer Jahre.

Dies schlägt sich auch in der Erfassung der mit schweren akuten respiratorischen Infektionen (SARI) neu im Krankenhaus aufgenommenen Patientinnen und Patienten nieder: Aktuell werden bedingt durch die ungewöhnlich starke RSV-Zirkulation deutlich mehr SARI-Fälle bei den bis Vierjährigen verzeichnet als in den vorpandemischen Jahren und im Vorjahr, wie es vom RKI hieß. Auch in den folgenden Altersgruppen bis 14 Jahre liegen die SARI-Werte demnach auf einem sehr hohen Niveau.

Zur Situation in der Kinderintensivmedizin will die Divi kommende Woche in Hamburg neue Zahlen vorstellen - und damit einhergehende Forderungen und Lösungsvorschläge zur Verbesserung der Versorgung schwerstkranker Kinder. "Wir werden diesen Winter nicht mehr alle versorgen können. Die Kollegen landauf, landab wissen nicht, wohin mit unseren kleinen Patienten", sagt Florian Hoffmann. Strukturen zur Bewältigung der Situation seien nicht vorhanden und die vorhandenen Register zur Bettensituation aus Zeitmangel oft nicht aktuell. "Wir müssten nun eigentlich Notfallmechanismen aktivieren, zum Beispiel Pflegepersonal aus der Erwachsenenmedizin hinzuziehen."

An RSV kann man in jedem Alter erkranken, aber vor allem bei Säuglingen und Kleinkindern ist der Erreger bedeutsam. Es kann sich um eine einfache Atemwegsinfektion handeln, aber auch schwere Verläufe bis hin zum Tod sind möglich. Zu Risikopatienten zählt das RKI zum Beispiel Frühgeborene und Kinder mit Lungen-Vorerkrankungen, aber auch generell Menschen mit Immunschwäche oder unterdrücktem Immunsystem.

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