An diesem Montag wurde das erste voll funktionstüchtige Krankenhaus für die Flüchtlinge in Bangladesch eröffnet - eine Klinik mit Operationssaal und Isolierstation. Ihre Bettenzahl: 60. In ihrem Einzugsbereich: Hunderttausende Menschen in bitterster Not. Der Süden Bangladeschs erlebt derzeit ein Drama, dass auch krisenerprobte Experten erschüttert.
Fast 600 000 Rohingya sind innerhalb der vergangenen sieben Wochen aus dem Nachbarland Myanmar in die Region geflohen. Dort sind die Lager bereits mit Hundertausenden Flüchtlingen aus früheren Krisen überfüllt. Eine "tickende Zeitbombe" sei die Situation, warnte die Präsidentin von Ärzte ohne Grenzen, Joanne Liu, auf dem Word Health Summit in Berlin.
"Die Menschen kämpfen um ein Stück Plastikfolie, um sich zudecken zu können"
Die muslimischen Rohingya werden vom Regime des buddhistisch geprägten Myanmar verfolgt. "Sie leiden unter unaussprechlichen Traumata. Familien wurden auseinandergerissen, Frauen vergewaltigt, Männer verschwanden", sagte Liu. Die verzweifelten Menschen kommen besitzlos, ausgezehrt, häufig verletzt oder krank in improvisierte Lager, in denen es an allem fehlt. "Die Menschen kämpfen um ein Stück Plastikfolie, mit dem sie sich zudecken können, sie kämpfen um eine Schale Reis", so Joanne Liu.
Vor allem aber mangelt es an einfachster Hygiene. Eine halbe Million Flüchtlinge hat nach Angaben des Internationalen Roten Kreuzes keinen regelmäßigen Zugang zu Trinkwasser. Oft müssen sich Hunderte Menschen eine einzige Toilette teilen. Das nimmt ihnen die Würde - und schafft Bedingungen, die in unkontrollierbare Krankheitsausbrüche münden können.
Bereits Anfang Oktober berichtete das Flüchtlingshilfswerk UNHCR von mehr als 10 000 Fällen schwerer Durchfallerkrankungen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO liefert daher 900 000 Dosen Cholera-Impfstoff in das Land; es ist eine der größten Aktionen dieser Art. Doch ohne massiven Ausbau der Sanitäranlagen bietet die Maßnahme nicht allzu viel Schutz. Andere Durchfallerkrankungen können sich weiterhin verbreiten. Sorge bereitet Hilfsorganisationen zudem, dass viele der Fliehenden gegen weitere Erkrankungen wie Masern und Kinderlähmung nicht ausreichend geimpft sind.
Bangladesch, das zu den am dichtesten besiedelten und ärmsten Ländern Asiens gehört, betreibt seit etwa 20 Jahren Flüchtlingsunterkünfte für die Rohingya. Schon immer seien die Lebensbedingungen in den meisten dieser Lager miserabel gewesen, schrieb ein internationales Forscherteam vor Kurzem im Fachblatt International Journal of Environmental Research and Public Health. Die Rohingya erleben auch in diesen Unterkünften Gewalt und Diskriminierung. Psychische Leiden, darunter Psychosen, sind weit verbreitet. Und täglich kommen neue Flüchtlinge an. "Wenn das hier die bessere Wahl für sie ist", sagt Kate White von der Koordination für Ärzte ohne Grenzen in Bangladesch: "dann muss es in ihrer Heimat die Hölle auf Erden gewesen sein".