SZ-Gesundheitsforum:Ein Roboter zum Kuscheln

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Pflegeroboter Pepper reagiert auf die Berührung von Händen. In Studien hatten robotische Systeme bereits manche Erfolge, im Alltag finden sich dagegen bisher vor allem nichtrobotische technische Hilfen für alte oder kranke Menschen. (Foto: Bernd Thissen/picture alliance/dpa)

Ob zu Haus oder im Krankenhaus, es fehlen immer mehr Pflegekräfte. Bei einem SZ-Gesundheitsforum besprachen Experten, wie wahrscheinlich es ist, dass Maschinen künftig einen Teil der Arbeit machen - und welche technischen Möglichkeiten es schon heute gibt.

Von Christina Berndt

Das Problem ist schon da, und es wird gerade noch größer: Alte und kranke Menschen, die Pflege brauchen, gibt es in Deutschland immer mehr. Aber Menschen, die pflegen wollen, immer weniger. Und die Kluft wird in den kommenden Jahren, wenn die Boomer-Generation ihren 80. Geburtstag feiert, so groß werden, dass ein Mangel an Hunderttausenden Pflegekräften befürchtet wird. Da erscheinen in einem Industrieland technische Hilfssysteme bis hin zu menschenähnlichen Robotern als ein möglicher Ausweg: Wenn es nicht mehr genügend helfende Hände gibt, dann könnten vielleicht Roboterarme oder andere technische Lösungen mit anpacken. Wie wahrscheinlich eine Entlastung der Pflegenden und ein Umsorgen der zu Pflegenden mit Hilfe von Maschinen in Zukunft wirklich sein wird und welche technischen Hilfsmittel schon heute beitragen können, war deshalb Thema eines SZ-Gesundheitsforums.

Eine Vision beförderten die teilnehmenden Expertinnen und Experten dabei gleich von Anfang an in die Rubrik Science-Fiction: Dass eines nicht allzu fernen Tages ein Roboter die 24-Stunden-Pflegekraft ablösen könnte, hielten sie allesamt für unrealistisch. "Was in 100 Jahren sein wird, darüber will ich nicht spekulieren", sagte Daniel Flemming, Professor für Informatik und Informationstechnologie in Pflege und Sozialer Arbeit an der Katholischen Stiftungshochschule in München. "Aber in den kommenden Jahrzehnten wird eine Pflegekraft nicht durch einen Roboter ersetzt werden können. Die Pflege eines Menschen ist so individuell, da ist außerdem so viel Empathie nötig, das ist nicht zu ersetzen."

Flemming wies darauf hin, wie sich die Idee vom Roboter als Pflegekraft entwickelt hat: "Das ging nicht von der Pflege aus, sondern von der Industrie", sagte er. Roboter seien für die industrielle Fertigung entwickelt worden, und dort, etwa in der Automobilproduktion, funktionierten sie auch schon seit Jahrzehnten hervorragend. "Aber es ist eine ungeheure Herausforderung, diese Technik nun an den Menschen zu bringen."

Gleichwohl können maschinelle Systeme zur Pflege hilfsbedürftiger Menschen nach Ansicht der Expertinnen und Experten beim SZ-Gesundheitsforum einen Beitrag leisten. "Einzelne Handlungen lassen sich durchaus von technischen Hilfssystemen erledigen", sagte Uli Fischer, Leiter der Stabsstelle für klinische Pflegeforschung und Qualitätsmanagement an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU). Dazu gehöre zum Beispiel das Drehen von Patienten im Bett, das für das Pflegepersonal sehr kraftraubend ist, das Halten von Patienten beim Umlagern oder die kontaktlose Messung von Vitaldaten wie Puls oder Körpertemperatur mitsamt automatisiertem Eintrag in die Patientenakte. "All das kann das Pflegepersonal entlasten", so Fischer. Wenn die Pflegekräfte dadurch mehr Zeit für das Menschliche an der Pflege bekommen, dann sei die Technik ein Gewinn - für die Pflegekräfte ebenso wie für die pflegebedürftigen Menschen.

"Menschen sind nun mal keine Autoteile"

Fischer hat im LMU-Klinikum im Rahmen von Studien bereits verschiedene robotergestützte Systeme getestet - und das durchaus mit Erfolg, auch wenn es am Anfang ganz schön kompliziert war, die Umsetzung zu realisieren. "Eine Industriehalle ist dafür konzipiert, dass Dinge dort auf den Millimeter genau immer am gleichen Ort stehen und immer die gleichen Prozesse durchlaufen", sagte Fischer. "Das sind Kliniken definitiv nicht. Und Menschen sind nun mal auch keine Autoteile, jeder ist anders."

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Doch trotz aller Hürden klappte es mit den Studien. So wurde ein Robotersystem getestet, das helfen sollte, noch bewusstlose Patienten direkt nach einer Lungentransplantation im Bett zu mobilisieren. "Das ist für den Heilungsprozess ungeheuer wertvoll", sagte Fischer, "die Mobilisierung sorgt für eine gute Ventilation der neuen Lunge." Normalerweise benötigen jedoch zwei bis vier Pflegekräfte vier Stunden, um einen solchen schwerstkranken Patienten mit den vielen Schläuchen und Kabeln, die an ihm hängen, im Bett aufzurichten und ihn in eine Sitzhaltung zu bringen. Wenn die Technik mithalf, reichten ein bis zwei Pflegekräfte aus. Am Ende der Studie waren alle Beteiligten zufrieden - die Pflegekräfte, die Angehörigen, die Physiotherapeuten. "Das System könnte man auf Station gut gebrauchen", so Fischer.

Doch trotz mancher Erfolge - national wie international - werden bisher kaum Robotersysteme im Klinikalltag eingesetzt. Ein Faktor ist am Ende eben auch das Geld. "Zum Schluss läuft es auf eine kaufmännische Analyse hinaus", sagte Fischer. "Was kostet der Roboter, was kostet die nötige zugehörige Technik, wie oft ist sie einsatzbereit und wie viel Arbeitszeit ersetzt sie wirklich?" Das sei auch deshalb so schwer zu kalkulieren, weil die Technik eben nicht eine ganze Pflegekraft ersetzt, sondern immer nur einen Teilbereich der Pflegearbeit.

Auch weniger komplexe Technik hat den Weg in den Klinikalltag bisher kaum geschafft - trotz erster Erfolge in Studien. So hat Fischers Team Roboter als Butler über die Klinikflure geschickt, um Patienten, die wegen einer Krebserkrankung eine Zeitlang in der Klinik waren, mit Getränken und anderem Service zu versorgen. Auch das habe gut funktioniert, sagte Fischer. Aber während Roboter-Butler in Hotels oder an Flughäfen Reisenden schon seit Jahren Zahnbürsten verkaufen oder Kaltgetränke servieren, sobald diese ihre Kreditkarte zücken, seien die Ansprüche in der Klinik erheblich komplexer.

In der häuslichen Pflege gibt es weniger regulatorische Hürden, dafür mehr technische

Eine Nutzung der Technik wäre auch in der häuslichen Pflege denkbar, sagte Fischer. Dort gebe es immerhin nicht so viele regulatorische und versicherungsrechtliche Hürden wie im Krankenhaus - dafür womöglich mehr technische, weil Wohnungen anders als Krankenhausflure eben häufig nicht robotergerecht sind.

So hapert es derzeit vor allem am Willen und an den Kosten der Implementierung - und das nicht nur in Deutschland. "Als Vorbild wird oft Japan genannt - als wäre die Pflegerobotik dort schon gang und gäbe", sagte Flemming. "Es mag da auch mehr Studien geben, aber was die Anwendung in den klinischen oder häuslichen Alltag betrifft, ist man in Japan nicht weiter als hier."

Systeme gäbe es aber genug. Chat Robots, die mit Menschen kommunizieren und sich dabei sogar merken, was beim letzten Mal gesprochen und erzählt wurde; Roboter, die die Nachtwache übernehmen können; automatisierte Pflegewagen, die der Pflegekraft Verbandsmaterial liefern und sich selbst im Lagerraum neu befüllen; Roboter-Kuscheltiere, damit Menschen auch mal was zum Streicheln haben.

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Auch weitere Ideen für die Zukunft gibt es jede Menge, sagte Thomas Wittenberg, Informatiker am Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen in Erlangen. Er berichtete von den Möglichkeiten, die die Emotionsforschung für die Medizin eröffnen kann. So könnten mit Hilfe von Kameras und Sensoren anhand von Gesichtsbewegungen Schmerzen erfasst und automatisch dokumentiert und ausgewertet werden. Womöglich lasse sich eines Tages auch das Fortschreiten von Erkrankungen wie Parkinson erfassen.

Verschiedene Technologien könnten ganz ohne Zweifel von hohem Nutzen für Pflegekräfte und zu Pflegende sein, sagte Constanze Giese, Professorin für Ethik und Anthropologie in der Pflege an der Katholischen Stiftungshochschule München. Allerdings müsse jede Technik sorgsam eingesetzt werden. Wenn Technik Pflege nicht ergänze, sondern ersetze, könne pflegebedürftigen Menschen der letzte menschliche Kontakt verloren gehen.

Manche Technik könnten sich Menschen in der häuslichen Pflege aber schon heute zunutze machen - auch über Haushaltshilfen wie Staubsaugerroboter hinaus. Etabliert ist längst der Notrufknopf, dessen Auslösen einen Hilfsdienst alarmiert. Mittlerweile gebe es auch automatisierte Notrufsysteme, die mit Hilfe von "Ambient Assisted Living" immer schlauer werden, berichtete Daniel Flemming. Solche Systeme nutzen installierte Kameras und erfassen automatisch, wenn etwa eine Person am Boden liegt - der betroffene Mensch muss den Notruf nicht mehr aktiv auslösen. Zudem können Smart-Home-Technologien dafür sorgen, dass sich der Herd automatisch abschaltet, wenn man mal wieder den Topf mit Kartoffeln auf der Platte vergessen hat. Kommunizierende Spiegel können daran erinnern, das man seine Medikamente nehmen soll. Smartphone-Apps mahnen regelmäßig zum Trinken.

Wichtig sei es aber auch, dass sich Menschen noch im Alter neue digitale Kompetenz aneignen und ihre bereits erworbene erhalten, sagte Uli Fischer: "Man sollte diese Technologie nicht wegschieben und denken, damit will ich nichts zu tun haben." Die Möglichkeiten der Digitalisierung seien gerade für Menschen, denen Mobilität verloren gehe, extrem hilfreich. Auch Online-Banking und Supermarkt-Apps erhalten die Selbstständigkeit, wenn man längere Wege nicht mehr gut gehen kann. "Man muss ja nicht alles mitmachen", sagte Fischer, "aber man sollte sich auch klarmachen, dass neue Techniken eine echte Chance für ein langes selbstbestimmtes Leben zu Hause bedeuten."

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