Risiken auf Fernreisen:Drei Dinge gehören in jede Reiseapotheke

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Sieht doch alles so schön aus. Dennoch kann es Krankheitserreger geben, mit denen das Immunsystem Reisender schlecht fertig wird.

(Foto: dpa-tmn)

Selbst vor exotischen Fernreisen lassen sich höchstens 30 Prozent der Urlauber medizinisch beraten. Ein Reisemediziner erläutert, wie fatal das enden kann.

Von Katrin Collmar

Professor Hans Dieter Nothdurft ist Oberarzt am Klinikum der LMU München und Facharzt für Reisemedizin. Er berät mit seinen Kollegen jährlich über 12 000 Reisende in der Impfambulanz der Abteilung für Infektions- und Tropenmedizin.

Süddeutsche.de: Herr Nothdurft, was sind die häufigsten Beschwerden bei Reiserückkehrern?

Hans Dieter Nothdurft: Zwei Drittel der Reisenden haben Magen-Darm-Probleme, die Ursache finden wir oft nicht. Etwa ein Drittel hat Fieber. Bei ihnen suchen wird nach der Fieberursache, um gefährliche Erreger wie das Denguevirus oder Malariaparasiten zu finden. Und etwa jeder zehnte Reisende hat Hautveränderungen. Darunter fällt auch die Infektion mit dem Hakenwurm Lava migrans. Seine Larven schlängeln sich unter der menschlichen Haut entlang, das juckt.

Das klingt unappetitlich. Sollten bei der Entscheidung für oder gegen ein Reiseland Infektionskrankheiten eine Rolle spielen?

Nein. In manchen Gebieten sind Reisende lediglich gefährdeter und müssen sich besser vorbereiten. In Papua Neuguinea beispielsweise ist das Malariarisiko hoch, gute Schutzmaßnahmen sind unbedingt nötig. Reisende müssen regelmäßig Medikamente zur Vorsorge einnehmen. In Thailand dagegen gibt es kaum noch Malaria, ein Notfall-Medikament genügt.

Im Jahr 2012 gab es laut Robert-Koch-Institut 547 Malariafälle, vier davon endeten tödlich - die einzige Reisekrankheit mit Todesfällen in Deutschland. Warum sind die Menschen gestorben?

Diese Toten gäbe es nicht, wäre die Krankheit schnell genug erkannt und behandelt worden. Die Reisenden haben möglicherweise vergessen, ihrem Arzt zu sagen, dass sie in einem Malariagebiet waren. Der hat die Krankheit dann nicht erkannt und dem Patient gewöhnliche Grippe-Mittel verschrieben. Innerhalb einer Woche kann sich Malaria so entwickeln, dass dem Kranken nicht mehr geholfen werden kann.

Die Zahlen zum Dengue-Fieber klingen ebenfalls bedrohlich: 615 Erkrankungen gab es 2012 in Deutschland, im Vergleich zu 2011 mehr als doppelt so viele. Müssen wir uns Sorgen machen?

Mittlerweile ist das auch bei unseren Reisepatienten die häufigste Fieber-Ursache. Die Mehrzahl der Erkrankungen verläuft aber Gott sei Dank harmlos. Eine Woche lang plagen die Patienten starke Kopf- und Muskelschmerzen, die Erholung dauert häufig bis zu sechs Wochen. In seltenen Fällen kann die Krankheit aber lebensbedrohlich sein.

Richtiger Mückenschutz

Wie können sich Reisende davor schützen?

Eine Impfung oder ein Medikament gibt es bisher nicht. Was hilft, sind Mückenschutzmittel. Bei tropischen Bedingungen nutzen allerdings die üblichen Präparate wenig. In der Apotheke gibt es extra für Risikogebiete Mittel, die höher konzentriert sind. Und in Hochrisikogebieten sollte man zusätzlich unter einem Moskitonetz schlafen.

Aber in den Reiseländern gibt es doch sicher auch Mückenschutzmittel zu kaufen.

Da wäre ich sehr vorsichtig. Der Verbraucherschutz ist dort oft nicht so gut und in den Regalen stehen giftige Mittel, die bei uns teilweise schon seit zwanzig Jahren verboten sind. Es wird zwar immer gesagt, die Menschen im entsprechenden Land wüssten am besten, was wirkt. Das ist aber ein Märchen. Das Zeug wird aus China importiert - egal in welches Land. Deshalb: Lieber in Deutschland Mückenschutzmittel besorgen, die sind getestet.

Und was gehört sonst noch unbedingt in die Reiseapotheke?

Das kommt ganz auf die Reise an. In Thailand kann man vieles kaufen, in Burma nur sehr wenig. Wir empfehlen als minimale Grundausstattung für jeden ein Fieberthermometer, ein Mittel zur Hautdesinfektion und eines gegen Durchfall.

Muss sich wirklich jeder Reisende von einem Arzt beraten lassen? Er kann sich doch selbst informieren, in welchem Land für ihn Gefahren drohen.

Im Internet und anderen Informationsquellen steht aber nicht, wie gefährdet der Einzelne ist. Nicht alle Infektionskrankheiten in einem Land sind sofort ein echtes Risiko für den Urlauber. Das Risiko hängt auch von der Reiseart ab. Ein All-Inklusive-Urlauber beispielsweise ist weniger gefährdet als ein Abenteuerreisender, der länger unterwegs ist, mit öffentlichen Verkehrsmitteln fährt und in einfachen Unterkünften schläft. Die bringen mehr Erkrankungen mit, das merken wir auch in unserer Praxis. Das individuelle Risiko einzuschätzen, ist für Reisende schwer, ein fachkundiger Arzt kann helfen.

Und wie viele Menschen nehmen tatsächlich eine Reiseberatung in Anspruch?

Höchstens 30 Prozent, selbst bei exotischeren Fernreisen. Wir haben eine Befragung am Münchner Flughafen durchgeführt. Die Hälfte der Reisenden war nicht gegen Hepatitis A geimpft, dabei ist das eine der gängigsten Reiseimpfungen. Viele denken, die Türkei, Ägypten oder Tunesien seien ja direkt vor der Haustür und lassen sich blenden von Hotelprospekten, in denen alles glänzt. Dabei weiß keiner, wie es in der Küche aussieht und wie gesund die Menschen sind, die das Essen zubereiten.

Gibt es ein Standardpaket für Reiseimpfungen?

Tetanus, Diphtherie, Kinderlähmung und Masern - das sind die Impfungen, die jeder haben sollte, auch Nichtreisende. Für Reisende kommen speziellere Impfungen dazu: Hepatitis A und B, sehr häufig auch die Typhusimpfung. Je nach Zielland sind zusätzliche Impfungen erforderlich. So müssen in manchen Ländern wie Afrika und Südamerika Reisende die Gelbfieberimpfung vorweisen. Die Meningitisimpfung empfiehlt sich dringend für Reisende in Afrika südlich der Sahara und nördlich des Äquators. Hier verläuft der sogenannten Meningitis-Gürtel. Und in abgelegenen Ländern mit schlechter medizinischer Versorgung empfehlen wir auch die Tollwutimpfung, besonders bei Reisen nach China, Indien, aber auch Südostasien und Südamerika. Während der Regenzeit in Asien droht die japanische Encephalitis. Auch dagegen gibt es eine Impfung. Strandurlauber brauchen sie allerdings nicht. Es kommt eben immer darauf an, wie die Reise gestaltet ist.

Wo die Erreger lauern

Und wann sollten Reisende anfangen, sich um die Impfungen zu kümmern?

Vier bis sechs Wochen vor der Reise. Manche Impfungen, beispielsweise gegen Hepatitis B, japanische Encephalitis oder die Tollwut, erfordern mehrere Spritzen, zwischen denen einige Zeit vergehen muss. Und der Impfschutz wirkt manchmal erst nach vier Wochen. Jeder sollte daran denken, dass Impfungen nur einen befristeten Schutz geben. Eine Reise ist ein guter Anlass, um den Impfpass mit dem Arzt nochmal durchzugehen.

Gibt es Risikogruppen, die sich stärker schützen sollten als andere?

Für Reisende, die sowieso schon Probleme haben - beispielsweise eine chronische Darmerkrankung, Diabetes oder Stoffwechselkrankheiten - können Infektionen gefährlicher werden, sie müssen sich besser schützen. Auch mit Kindern unter zwei Jahren sollte man sehr, sehr vorsichtig sein. Denn manche Impfungen sind erst ab einem bestimmten Alter zugelassen - beispielsweise die Hepatitis A- oder Typhus-Impfung. Krankheiten wie Malaria verlaufen bei kleinen Kindern zudem schwerer.

Wo lauern im Reiseland die Erreger?

Eine große Gefahr ist verunreinigtes Trinkwasser, viele Viren, Bakterien und Parasiten schwimmen darin. Deshalb sollten Reisende wirklich nur Wasser trinken, das maschinell abgepackt ist. Und möglichst Eiswürfel vermeiden, denn man weiß nie, aus welchem Wasser sie gemacht sind. Gerade Hepatitis A wird viel über Trinkwasser übertragen. Und über die Nahrung. Deswegen gilt: Möglichst frisch zubereitete Speisen essen. Was frisch gegart, gekocht oder gegrillt ist, ist in der Regel harmlos. Rohes Obst und Gemüse sollte man nicht ungeschält essen.

Was, wenn trotz aller Vorsorge mitten im Urlaub Fieber oder andere Krankheitssymptome auftauchen?

Auch das hängt natürlich immer vom Land ab. In Malaria-Gebieten sollte bei Fieber immer sofort an diese Krankheit gedacht werden. Den Reisenden raten wir, ein Malariamedikament mitzunehmen. Wenn innerhalb von 24 Stunden kein Arzt gefunden werden kann und das Fieber mindestens 38 Grad hoch ist, dann lieber mal ein Malariamittel zu viel einnehmen. Die Nebenwirkungen sind relativ gering. Ganz wichtig ist deshalb das Fieberthermometer. Über die ärztliche Versorgung im Zielland sollte sich jeder Reisende vorher erkundigen. Zum Beispiel hat Thailand eine gute Ärzteversorgung. In Myanmar dagegen ist sie katastrophal.

Das liebste Reiseziel der Deutschen ist Deutschland. Ärzte gibt es hier zur Genüge. Sollten sich Urlauber trotzdem vorbereiten?

Nun ja, für den Norddeutschen, der in den Süden kommt, spielt die FSME (Frühsommer-Meningoenzephalitis) sicher eine Rolle. In Bayern, Baden-Württemberg, Thüringen und Hessen wird sie von Zecken übertragen und kann zur Hirnhautentzündung führen. Kommt also ein Nordlicht in den Süden, wäre eine Reiseimpfung angesagt.

Und in den anderen europäischen Ländern?

In europäischen Ländern mit niedrigeren Hygienestandards kommen oft Parasiten vor, die bei uns inzwischen ausgerottet sind. Zum Beispiel einzellige Amöben. Gerade in Südeuropa sind sie häufig. Im Glücksfall leiden Erkrankte nur unter Durchfall und Bauchschmerzen. Aber die Amöben können auch in die Leber eindringen und das ist lebensbedrohlich. Das hatten wir erst vor kurzem: Ein Patient kam fünf Monate nach seiner Heimkehr aus Laos mit stechenden Schmerzen in der Seite zu uns. Mit dem Ultraschallgerät haben wir dann einen zehn Zentimeter großen Abszess in der Leber entdeckt.

Es ist also wichtig, auch nach der Reise auf den Körper zu hören.

Das ist das, was wir immer wieder predigen: Bei Beschwerden unbedingt dem Arzt erzählen, wo man im letzten Jahr überall gewesen ist. Das heißt nicht, dass jeder, der sich nach einer Reise ein bisschen unwohl fühlt, sofort zum Arzt laufen sollte. War man jedoch auf der Reise krank - hohes Fieber oder Durchfall mit Blut im Stuhl zum Beispiel - ist das ein Anlass, sich nochmal durchchecken zu lassen. Auch wenn die Symptome abgeklungen sind - die Krankheit könnte noch nicht ganz ausgeheilt sein.

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