Süddeutsche Zeitung

Rauchen:Die erste Zigarette mit elf

  • Insgesamt beginnen heute weniger junge Menschen mit dem Rauchen als früher, zeigt eine große Studie.
  • Aber jene, die doch zu den Zigaretten greifen, sind heute deutlich jünger als noch vor ein paar Jahren.
  • Experten vermuten, dass die Werbebotschaften der Tabakindustrie vor allem junge Menschen ansprechen, und fordern ein Verbot von Tabakwerbung.

Von Astrid Viciano

Was für eine Erfolgsgeschichte. In Deutschland rauchten in den 50er-Jahren noch neun von zehn Männern, heute sind es nicht mal drei. Gruselfotos auf Zigarettenpackungen, Rauchverbote und Anti-Raucher-Kampagnen haben gewirkt. Die Sorge um das Rauchen scheint daher so nichtig zu sein wie alter Zigarettenqualm. Oder nicht? Ein europäisches Forscherteam rund um die Medizinerin Deborah Jarvis vom Imperial College erzählt im Fachblatt Plos One eine etwas andere Geschichte.

Tatsächlich beginnen insgesamt immer weniger junge Menschen mit dem Rauchen. Aber jene, die doch zu den Zigaretten greifen, sind heute deutlich jünger als noch vor ein paar Jahren. "Das ist besorgniserregend", sagt Ute Mons, Leiterin der Stabsstelle Krebsprävention am Deutschen Krebsforschungszentrum. In der Altersgruppe der Elf- bis 15-Jährigen hat die Anzahl der Raucher in vielen Regionen Europas sogar zugenommen. Jarvis und Kollegen werteten in der aktuellen Meta-Analyse Daten aus sechs Multicenter-Studien aus 17 Ländern, mit fast 120 000 Probanden im Alter von 33 bis 52 Jahren aus. Sie alle waren zu ihrem Rauchverhalten als Teenager und junge Erwachsene befragt worden.

"Den Jugendlichen wird es später im Erwachsenenalter besonders schwerfallen, damit aufzuhören"

Das Ergebnis: Im Jahr 1970 war die Anzahl der jungen Raucher mit 18 Jahren am höchsten, die der Raucherinnen mit 19 Jahren. Im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts sank das Alter schon auf 16 und 15 Jahre. Und nun auf elf bis 15 Jahre. Doch waren die Teenager nicht nur früher dran mit dem Rauchen. Auch die Anzahl der sehr jungen Raucher insgesamt stieg in fast allen Regionen Europas seit den 90er-Jahren an. In Westeuropa erreichte sie im Jahr 2005 40 pro 1000 Jugendliche pro Jahr, auch in Südeuropa stieg zumindest die Anzahl der männlichen Teenager an. Zwar werteten die Studienautoren nur Daten bis zum Jahr 2009 aus. Doch ergab auch eine Eurobarometer-Studie, dass die Anzahl der sehr jungen Raucher in den Jahren 2012 bis 2014 von 17 auf 19 Prozent angestiegen ist.

Dabei wissen Mediziner bereits, dass frühes Rauchen zu besonders stark ausgeprägtem Suchtverhalten führt. "Den Jugendlichen wird es später im Erwachsenenalter besonders schwerfallen, damit aufzuhören", sagt Mons. Zudem sind die Lungen der Jugendlichen besonders empfindlich, sodass sie schon in jungen Jahren Asthma entwickeln können.

Während auf dem Gymnasium nur wenige Jugendliche rauchen, sähe es auf Berufsschulen deutlich anders aus, sagt Mons. Eltern und ältere Geschwister seien hier ein Vorbild, vor allem aber der Freundeskreis. "Die Ergebnisse der Studie zeigen vor allem eines: dass die Werbebotschaften der Tabakindustrie junge Teenager ansprechen - auch wenn die Konzerne vorgeben, sich an Erwachsene zu wenden", sagt Mons. Solange es kein Verbot für Außenwerbung gebe, werde es schwerfallen, Jugendliche von Zigaretten fern zu halten.

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Quelle:
SZ vom 24.08.2018
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