Qualität von Babykost:Forschung am heißen Brei

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Spätestens nach dem sechsten Monat sollten Kinder auch Breie bekommen. Doch welche taugen etwas? (Foto: dpa)

Wie gut ist Fertignahrung für Babys und Kleinkinder? Wissenschaftler bemängeln, dass die Produkte oft viel Zucker enthalten und die Lust auf geschmackliche Vielfalt verkümmern lassen. Wenn Eltern die Zeit haben, sollten sie selbst kochen.

Von Kathrin Burger

Mehlbrei, Brotsuppe, Biersuppe, Wassersuppe mit Grieß, Reis oder Sago, dazu Milch verschiedener Tierarten, außerdem Eier, weich gekochtes Fleisch, Zuckerwasser und Haferschleim - so sah vor mehr als 100 Jahren die Baby-Beikost in Deutschland aus. Über Apfelmus, Pastinake oder Karotte mit Kürbis, wie es Säuglinge heute vom 4. oder 6. Lebensmonat an erhalten, hätten die damaligen Pädiater die Nase gerümpft.

Dabei gibt es bis heute kaum evidenzbasierte Empfehlungen, wie optimale Beikost beschaffen sein sollte. Nun hat das Forschungsinstitut für Kinderernährung (FKE) auf Basis des aktuellen wissenschaftlichen Sachstands Empfehlungen für die Säuglingsernährung erarbeitet, und zwar in Form von drei Breivarianten: Gemüse-Kartoffel-Fleisch-Brei, Milch-Getreide-Brei, Getreide-Obst-Brei.

Spätestens nach dem sechsten Monat reicht Muttermilch alleine nicht mehr, um den Sprössling mit allen Nährstoffen, vor allem mit Eisen, zu versorgen. "Durch diese Breie erhalten die Kinder ausreichend Nährstoffe, zudem tragen sie den hiesigen Gepflogenheiten in der Ernährung Rechnung", erklärt Mathilde Kersting vom FKE. Doch viele Eltern haben einfach keine Zeit, sich täglich der Zubereitung von Babymenüs zu widmen: Laut FKE kaufen etwa 60 Prozent der Eltern Fertignahrung von Hipp, Nestlé & Co.

Gegen reine Gemüseprodukte oder Ähnliches ist da auch nicht viel einzuwenden. Doch wie steht es mit den immer aufwendigeren Mischprodukten? Dienen diese immer dem Kindeswohl? Das haben sich kürzlich Forscher um Ada Garcia von der Universität Glasgow gefragt. Sie verglichen selbst gekochte Babybreis mit 479 auf dem britischen Markt üblichen Beikostprodukten.

Das Ergebnis fiel vernichtend aus: Zwei von drei Fertigprodukten enthielten Zucker, gleichzeitig lieferte die Industrie-Kost zu wenige Kalorien und essenzielle Nährstoffe wie Eisen oder Kalzium. Allerdings ist diese Studie nicht auf Deutschland übertragbar, weil die britischen Beikostprodukte ganz anders zusammengesetzt sind: Dort wird mehr Getreide, dafür weniger Gemüse und Obst gegessen.

Also Entwarnung? Nein, auf dem deutschen Markt sieht es nicht nur rosig aus. Zugesetzter Zucker findet sich etwa in sogenannter Folgemilch, die für Säuglinge bestimmt ist, die bereits Beikost bekommen. Sie muss laut einer neuen EU-Richtlinie zwar so viele Kalorien liefern wie Anfangsnahrungen, trotzdem wird sie paradoxerweise mit "altersgemäß sättigend" beworben. Kürzlich hat die WHO daher noch mal in einer Mitteilung deutlich gemacht, dass diese Flaschennahrung unnötig sei.

Auch fertiger Getreidebrei enthält bisweilen Zuckerbeigaben. Chemiker der Zeitschrift Öko-Test haben in der Mai-Ausgabe (16) verschiedene Breisorten untersucht. Zwei Produkte waren gesüßt und bekamen die Note "ungenügend". Wissenschaftler bewerten Zucker an sich zwar nicht als schädlich, aber zuckerreiche Lebensmittel können andere nährstoffreichere Speisen verdrängen. Zudem fördert Zucker Karies. "Und zu viel Süße kann die Geschmacksentwicklung stören", betont die Ernährungswissenschaftlerin Kersting.

Der Geschmacksentwicklung im ersten Lebensjahr widmen Wissenschaftler mittlerweile besondere Aufmerksamkeit. Seit einigen Jahren wird deutlicher, dass man mit den strikten Speiseplänen der Vergangenheit, auf denen nur wenige Lebensmittel zu finden waren, auf dem Holzweg war. "Man kann damit nicht wie angenommen Allergien oder Unverträglichkeiten vorbeugen", sagt Kersting. Gleichzeitig verhindere man mit einer kargen Auswahl, dass Babys geschmackliche Vielfalt kennenlernen. Das ist schlecht, schließlich gibt es Hinweise, dass Menschen, die viele unterschiedliche Geschmäcker zuerst im Mutterleib, dann bei Muttermilch und Beikost kennen und lieben gelernt haben, auch als ältere Kinder abwechslungsreicher und damit gesünder essen.

Dies ist auch das Hauptargument, warum selbst zubereitete Breie womöglich doch von Vorteil sind: Sie sind vielfältiger im Geschmack, sozusagen das Gegenteil vom Einheitsbrei. Bei der Einführung der Beikost ist in jedem Fall Geduld gefragt. Denn eine Speise muss teils bis zu zehn Mal angeboten werden, bis ein Kind den Geschmack schätzen gelernt hat.

Puddings und Quarks können die Nieren belasten

Kritisch bewerten Kinderärzte auch die Extraportion Eiweiß im ersten Lebensjahr. Produkte wie spezielle Babypuddings oder Quarktöpfchen für die Kleinsten stuft die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) gar als schädlich ein. Vor allem weil sie die kindlichen Nieren belasteten. Zudem wird seit einigen Jahren diskutiert, ob ein zu großer Eiweißanteil in der frühen Kindheit die Entwicklung von Übergewicht fördert.

Eine Interventionsstudie der LMU München hat im Jahr 2004 gezeigt, dass eine sehr hohe Eiweißzufuhr in den ersten Lebensmonaten tatsächlich zu mehr Fett auf den Rippen der Kinder im Alter von zwei Jahren führt. Dabei lag die Menge an Eiweiß um bis zu 60 Prozent über dem Gehalt von Muttermilch, die 1,8 Gramm pro 100 Kilokalorien enthält. Eiweißreiche Nahrung simuliert die Bildung des Wachstumsfaktors IGF-1, was wiederum zu Fettansammlungen führt - so eine mögliche Erklärung. Kuhmilch wird darum nicht als Getränk im ersten Lebensjahr empfohlen, nur löffelchenweise im Milch-Getreide-Brei.

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Weil der Babykostmarkt jedoch sehr umkämpft ist und auch immer weniger Kinder geboren werden, denken sich die Industrieköche stets neue Produkte aus. So gibt es seit geraumer Zeit Kleinkindmenüs und Kindermilch. Diese Produkte sollen für Kinder vom 12. Monat an geeignet sein.

Das FKE empfiehlt allerdings, dass die Kinder im 10. Monat beginnen, am Tisch der Eltern mitzuessen. Convenience-Produkte wie "Karottenstreifen mit Kartoffeln und feinem Wildlachs" sollen laut Herstellerangaben die Kleinen vor Übergewicht und Nährstoffmangel bewahren. So sind etwa die Hipp-Mahlzeiten für Ein- bis Dreijährige so erdacht, dass sie weniger Zucker und Fett und damit weniger Kalorien liefern als herkömmliche Kinderlebensmittel - und oft auch weniger Salz. Doch was taugen diese Produkte? Nicht viel, sind sich Experten einig. Laut der DGKJ lieferten die Produkte dem Körper nichts Frisches und schränkten die Geschmacksentwicklung ein.

Zudem hat Öko-Test aufgedeckt, dass auch in solchen Kleinkinder-Lebensmitteln nicht an Zucker gespart wird. Bei einer Analyse von 38 Produkten wie Babykeksen, Fruchtjoghurts und Instant-Tees entdeckten die Tester teilweise Mengen von bis zu fünf Zuckerwürfeln in einer Portion. Dabei besagt die Aufschrift "ohne Zusatz von Kristallzucker" wenig. Es kann dennoch jede Menge Zucker enthalten sein, versteckt als Maltodextrin, Glukosesirup oder Fruchtzucker.

Auch spezielle Milch für Kinder nach dem ersten Lebensjahr ist laut dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) keinesfalls besser als Kuhmilch. "Kleinkinder-Milch", "Kindermilch" oder "Juniormilch" sind im Vergleich zur Kuhmilch eiweißarm, dafür mit Eisen, Zink, Folsäure oder Vitamin D aufgepeppt. Die Produkte werden damit beworben, dass sie besonders an die Bedürfnisse des Kleinkindes angepasst seien.

Das BfR stellt jedoch klar: "Die unkontrollierte Zufuhr etwa von Eisen und Zink durch Kindermilch birgt das Risiko einer Nährstoffüberversorgung." Auch bei der DGKJ hält man die Milchgetränke für überflüssig. Für Kleinkinder sollte vielmehr täglich ein drittel Liter handelsübliche, fettarme Milch inklusive Milchprodukte auf dem Speiseplan stehen.

Zwar hat kürzlich eine von der Industrie gesponsorte Studie ergeben, dass mit Vitamin D angereicherte Kindermilch die Vitaminspiegel von Zwei- bis Sechsjährigen in den Wintermonaten erhöhen kann. Allerdings gibt es andere Wege, die Vitamin D-Versorgung von Kindern zu sichern. So reichen rund zehn bis 15 Minuten Spielen in der sommerlichen Mittagsonne, damit Kinder genügend Vitamin D bilden, auch als Reserve für die Wintermonate.

In einigen Fällen könnten Kindermilch und Junior-Menü dennoch Vorteile haben: "Wenn die Familienmahlzeiten insgesamt nicht sehr ausgewogen und gesund sind, dann könnten mit diesen Fertiglebensmitteln Nährstofflücken geschlossen werden", meint FKE-Wissenschaftlerin Kersting. Bei alldem betonen die Experten jedoch, dass man Eltern kein schlechtes Gewissen machen sollte.

Dauerbrenner bei Fertigkost für Babys sind auch Schadstoffe. So findet Öko-Test eigentlich immer etwas, bei der Analyse von Getreidebrei kleinerer Hersteller stießen sie etwa auf kleine Mengen Arsen und Mineralöle. Der Fernsehsender NDR fand kürzlich krebserregendes Benzol, ebenfalls in winzigen Mengen. Die Mineralöle wandern dabei aus recyceltem Pappkarton in den Reisbrei, Arsenspuren finden sich natürlicherweise in Reis. Und Benzol steckt vor allem in Möhrenbrei. Es entsteht bei der Sterilisation.

Die Hersteller argumentieren, die Mengen seien so gering, dass man beispielsweise allein durch die Atemluft mehr Benzol aufnehme. Das bestätigt das BfR: "Der Beitrag der Benzolaufnahme aus Produkten wie zum Beispiel Karottensäften ist bei Benzolgehalten von wenigen Mikrogramm pro Liter Getränk und üblichen Verzehrmengen vergleichsweise gering." Auch Kersting warnt vor Panikmache. "Die Beikostprodukte sind sicher." Auch selbst gekochter Brei ist keineswegs frei von Schadstoffen. Trotzdem verfolgen Forscher das Thema mit Wachsamkeit. Dem Vorsorgeprinzip folgend plädieren Experten dafür, dass Babykost am besten gar keine Schadstoffe enthalten solle.

Wer beim Kauf von Babynahrung unsicher ist, kann sich Hilfe bei einer Online-Datenbank holen, die das FKE pflegt. Auf www.verbraucherfenster.hessen.de sind die auf dem Markt befindlichen mehr als 1000 Beikostprodukte mit Zutaten und Nährwerten aufgelistet und mit den FKE-Rezepten für die Beikost abgeglichen.

Mehr über das erste Jahr nach der Geburt erfahren Sie in unserem Ratgeber: Baby-Zeit.

© SZ vom 16.10.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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