Psychotherapie:Anruf statt Couch

Dass die Psychotherapie des persönlichen Kontakts bedarf, gilt selbst vielen Fachleuten als ausgemacht. Doch eine neue Studie zeigt, dass die Behandlung per Telefon erstaunlich erfolgreich ist.

Immer noch halten viele Psychotherapeuten den persönlichen Kontakt zum Patienten für unerlässlich, um Behandlungserfolge zu erzielen. Moderne Kommunikationsmittel gelten eher als Notlösung. Doch jetzt zeigt eine neue Studie im Fachmagazin Jama (online), dass eine Therapie per Telefon sogar einige Vorteile haben kann.

Das Forscherteam um den Präventionsmediziner David Mohr von der Northwestern University in Chicago beobachtete insgesamt 325 Patienten, denen eine schwere Depression diagnostiziert worden war. Alle Studienteilnehmer wurden 18 Sitzungen lang mit kognitiver Verhaltenstherapie (CBT) behandelt, eine der gebräuchlichsten und erfolgreichsten Heilmethoden bei vielen psychischen Störungen. Allerdings besuchte nur eine Hälfte der Probanden einen Therapeuten in seinem Behandlungszimmer. Die andere Hälfte unterzog sich einer telefongestützten Therapie (T-CBT).

Dabei ergab sich überraschenderweise, dass 32,7 Prozent der Patienten in der konventionellen Vier-Augen-Situation die Behandlung abbrachen; bei der T-CBT waren es hingegen nur 20,9 Prozent. In beiden Studiengruppen zeigten sich nach Abschluss der Therapie ähnlich gute Behandlungserfolge.

Allerdings erzielten die Telefon-Patienten sechs Monate nach Abschluss der Therapie drei Punkte mehr auf einer Standardskala, mit der die Stärke einer Depression ermittelt wird. Das sei zwar kein sehr großer klinischer Unterschied, sagt Mohr, dennoch müsse die Ursache erkundet werden: "Vielleicht hat der menschliche Kontakt doch bestimmte Eigenschaften, der die Widerstandsfähigkeit erhöht." Andererseits könnte es auch sein, dass in der Telefon-Therapie auch kränkere Patienten verbleiben, die sich zu einem Praxisbesuch nicht mehr aufraffen würden.

Dennoch liefert die neue Studie nach Ansicht der Autoren überzeugende Argumente für den Ausbau der T-CBT: "Das Telefon eröffnet die Möglichkeit, die Betreuung auf schwer zu erreichende Bevölkerungsgruppen auszuweiten, etwa auf Landbewohner, Patienten mit chronischen Krankheiten, Behinderungen und anderen Zugangsschranken."

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