Psychotherapeuten finden:Wie Sie schneller an einen Termin kommen

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Die Praxen von Psychotherapeuten sind vielerorts hoffnungslos überlaufen. Durchschnittlich 20 Wochen müssen Patienten auf einen Termin warten. Was Kranke tun können, um die Wartezeit zu verkürzen.

Von Katrin Neubauer

"Im Moment habe ich nichts frei. Vielleicht in drei oder vier Monaten wieder. Wenden Sie sich doch bitte an andere Kollegen." Die Antworten auf Anfragen bei sechs weiteren Psychotherapeuten in Berlin und Brandenburg sind ähnlich. Auf die Schnelle ist kein Therapieplatz zu bekommen.

Durchschnittlich 20 Wochen müssen sich Patienten von der ersten Anfrage bis zum Behandlungsbeginn gedulden. Insgesamt gibt es in Deutschland etwa 27 000 kassenärztlich zugelassene Psychotherapeuten. Demgegenüber stehen schätzungsweise drei bis vier Millionen Menschen mit einer Depression. "Die Zahl der Erkrankungen ist entgegen anders lautenden Berichten in den vergangenen 15 Jahren zwar nicht signifikant gestiegen, aber mehr Menschen nehmen inzwischen psychotherapeutische Hilfe in Anspruch", sagt Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK). So hat sich die Zahl der Patienten, die innerhalb eines Quartals beim Psychotherapeuten waren, laut BPtK zwischen 2004 und 2014 von 840 000 auf 1,25 Millionen erhöht. Die Bedarfsplanung für die Praxen stammt dagegen aus dem Jahr 1999 und wurde seither kaum angepasst.

Um die Chance auf einen der raren Plätze zu erhöhen, empfiehlt die BPtK, mindestens drei bis fünf Psychotherapeuten anzurufen und sich auf deren Warteliste setzen zu lassen.

Seit 2017 gibt es außerdem die Möglichkeit einer Akutbehandlung für Menschen in einer schweren seelischen Krise. Im Unterschied zur regulären Therapie kann sie ohne Probesitzungen aufgenommen werden und ist nicht vorab von der Krankenkasse zu genehmigen, sondern muss ihr nur mitgeteilt werden. 12 bis 24 Therapieeinheiten sind in der Akutbehandlung möglich, Ziel ist vor allem eine Stabilisierung der Patienten.

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Psychotherapeuten mit Kassenzulassung findet man auf den Internetseiten der Kassenärztlichen Vereinigung des Bundeslandes. Mitunter betreiben die Vereinigungen auch eine Psychotherapieplatz-Vermittung, beispielsweise in Bayern. Auch die BPtK bietet einen Suchdienst an. Mitunter kann auch ein Anruf bei der Krankenkasse nützlich sein, in dem man die Dringlichkeit noch einmal schildert. Viele Kassen wissen, wo es freie Plätze gibt, oder haben einen Terminservice.

Finden Patienten in einer angemessenen Zeit keine Behandlung bei einem vertragsärztlichen Psychotherapeuten, können sie auch einen approbierten, also staatlich zugelassenen, Psychotherapeuten mit einer Privatpraxis kontaktieren. Der Paragraph 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch V erlaubt es, Kosten für eine selbst beschaffte notwendige Behandlung von der Kasse einzufordern, wenn diese die Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte. Eine solche Leistung kann eine Psychotherapie in einer Privatpraxis sein. Der Anspruch gilt gegenüber allen gesetzlichen Krankenkassen.

Patienten müssen dafür vorab einen Antrag bei ihrer Kasse stellen. Die BPtK rät, dem Antrag folgende Unterlagen beizufügen:

  • ein Anschreiben
  • eine Bescheinigung, dass eine psychotherapeutische Behandlung notwendig und unaufschiebbar ist
  • ein Protokoll der vergeblichen Suche nach kassenärztlich zugelassenen Therapeuten
  • die Bescheinigung eines approbierten Psychotherapeuten in einer Privatpraxis, der die Behandlung kurzfristig übernehmen kann

Die Therapiesitzungen muss der Patient allerdings zunächst selbst bezahlen. Er bekommt das Geld später von der Krankenkasse zurück. "Bevor es losgeht, sollten Patienten eine schriftliche Zusage der Kasse haben - sonst können sie am Ende auf den Behandlungskosten sitzenbleiben", warnt die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD). Bislang wird diese Möglichkeit - wahrscheinlich auch wegen des erheblichen bürokratischen Aufwandes - noch wenig genutzt. Laut der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) machen die Leistungsausgaben für private Psychotherapiestunden nur etwa zwei Prozent der Gesamtkosten für Psychotherapie aus.

Eine weitere Möglichkeit ist, die Wartezeit durch kurzfristige Einzelgespräche zu überbrücken. Die werden zum Beispiel in Beratungsstellen der Kommunen, Kirchen und Wohlfahrtsverbände angeboten. Orientierung und Unterstützung bei der richtigen Auswahl bieten die UPD und Sozialpsychiatrische Dienste an. Eine Dauerlösung sind Einzelgespräche allerdings nicht.

Mitunter kann auch eine Gruppentherapie weiterhelfen. Allerdings bieten diese nur etwa ein bis zwei Prozent der ambulanten Therapeuten an. Diese Variante kommt auch nur für jene in Betracht, die sich vor anderen Mitpatienten äußern mögen. Meist sind diese Plätze aber eher zu bekommen als eine Einzeltherapie. Der Vorteil ist, dass man hier Kontakt zu Menschen mit ähnlichen Problemen knüpfen kann.

Ist bei niedergelassenen Therapeuten zeitnah kein Termin zu bekommen und der Leidensdruck hoch, können sich Patienten im Notfall auch an Kliniken oder Tageskliniken zu wenden. Dort ist es mitunter sofort möglich, eine Behandlung zu beginnen. Patienten erhalten in der Regel ein vier- bis sechswöchiges Programm aus Einzel- und Gruppenpsychotherapie, Entspannungsverfahren, Kreativ- und Bewegungstherapie. Die Überweisung dafür kann der Hausarzt ausstellen.

In Krisensituationen ist dagegen schnelle Hilfe gefragt. Wer im Notfall weiterhilft, lesen Sie hier.

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