Psychosomatik:Freunde sind wirksamer als Morphin

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Psychosomatik: Ein reges Sozialelleben kann sich positiv auf die Gesundheit auswirken.

Ein reges Sozialelleben kann sich positiv auf die Gesundheit auswirken.

(Foto: Maximilian Prechtel/mauritius images)

Es muss nicht mal eine ganz enge Beziehung sein: Ein großer Freundeskreis lindert Schmerzen und wirkt sich günstig auf Herz, Kreislauf und Immunsystem aus.

Von Werner Bartens

Freunde helfen nicht nur bei Umzug und Liebeskummer - sie sind auch wirksamer als Morphium. Wer Schmerzen hat, muss sich also nicht zwangsläufig bei der Produktpalette der Pharmaindustrie bedienen, sondern kann auf seine engsten Vertrauten setzen. Zwar macht das wohlige Gefühl, gut aufgehoben unter Freunden zu sein, den Griff zur Tablettenschachtel nicht in jeder Lebenslage überflüssig. Doch je größer das Netzwerk aus guten Bekannten ist, auf das man sich verlassen kann, desto mehr Schmerzen lassen sich aushalten, wie Forscher aus Oxford in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins Scientific Reports zeigen. Schmerzempfindlich sind demnach vor allem die Einsamen und Isolierten.

Die experimentellen Psychologen Katerina Johnson und Robin Dunbar haben die Schmerztoleranz von Freiwilligen untersucht und dabei festgestellt, dass Menschen mit einem großen Freundeskreis offenbar mehr körpereigene Endorphine ausschütten. "Endorphine sind die natürlichen Schmerzkiller unseres Körpers und geben uns dieses herrliche Gefühl des Wohlbefindens", sagt Johnson. "Sie sind aber auch als Botenstoffe eingebunden, wenn es um den Aufbau von Beziehungen geht - auch deswegen fühlen wir uns so gut, wenn wir unsere Freunde sehen und in Gemeinschaft Schönes erleben."

Um zu untersuchen, in welchem Ausmaß Freunde dabei helfen können, nicht nur Sorgen, sondern auch Schmerzen zu vertreiben oder wenigstens zu lindern, bedienten sich die Oxford-Wissenschaftler eines vergleichsweise einfachen Versuchsaufbaus: Mehr als 100 Studenten wurden dazu aufgefordert, sich mit dem Rücken gegen eine Wand zu lehnen und dabei die Knie im 90-Grad-Winkel gebeugt zu haben. Egal, wie gut man trainiert ist - irgendwann fangen die Oberschenkel unerträglich an zu brennen. Wie lange die Studenten durchhielten, hing natürlich von ihrer Fitness ab. Doch nachdem die Wissenschaftler diesen Faktor herausgerechnet hatten, stießen sie auf einen weiteren Zusammenhang: Wer früher aufgeben musste, verfügte über weniger Freunde und Bekannte als Versuchsteilnehmer, die erst später ihren Schmerzen nachgaben.

Für die Schmerztoleranz kam es besonders auf die Größe jener Gruppe guter Bekannter an, die von den Wissenschaftlern als "äußere Schicht des Freundeskreises" bezeichnet wurde. Dazu gehörten Leute, zu denen die Teilnehmer wenigstens einmal im Monat, aber seltener als einmal pro Woche Kontakt hatten.

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