Süddeutsche Zeitung

Psychologie und Ernährung:Lieber viele kleine Stücke

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Wenn Menschen eine große Portion am Stück serviert bekommen, essen sie mehr als bei vielen kleinen Mengen auf dem Teller. Nimmt man also leichter ab, wenn man sein Essen zerlegt?

Sebastian Herrmann

Was ist besser, ein Kuchen am Stück oder ein Kuchen, der in vier gleich große Portionen zerteilt worden ist? Die Frage klingt ein bisschen bescheuert, ist aber relevant. Schließlich steckt dahinter die Frage, ob eine große Belohnung Menschen eher zufriedenstellt als mehrere kleine Prämien. Und ob Mahlzeiten stärker sättigen, wenn eine identische Menge in kleine Einheiten aufgeteilt ist.

Psychologen um Devina Wadhera von der Arizona State University haben auf der Jahrestagung der Society for the Study of Ingestive Behaviour in Zürich eine Studie vorgestellt, die für die Variante mit den kleinen Häppchen spricht.

Die Wissenschaftler boten ihren 301 Probanden Bagels an; das sind diese Teigkringel, die wegen des Lochs in der Mitte so unpraktisch zu essen sind. Die eine Hälfte der Versuchspersonen erhielt einen ganzen Bagel. Den übrigen Probanden händigten die Psychologen die gleiche Menge Backwerk aus, nur dass der Teigkringel in vier Stücke zerteilt worden war.

Die Teilnehmer wurden nun aufgefordert, so viel zu essen, wie sie wollten. Anschließend gab es Mittagessen. Kameras zeichneten auf, wie viel jeweils verzehrt wurde. Die Probanden, die zuvor den ganzen Bagel bekommen hatten, aßen sowohl mehr von dem Teigkringel und vertilgten auch beim Mittagessen größere Mengen. Eine Portion in kleine Stücke zu teilen, mache die identische Menge sättigender, folgern die Psychologen.

Wadhera leitet daraus sogar Abnehmtipps ab: Das sei doch ein praktikables Verhalten für Menschen, die Diät halten und sich trotzdem halbwegs satt fühlen wollten.

Wer mächtige Portionen auf dem Teller hat, der isst auch größere Mengen. Dieser Zusammenhang ist schon lange klar und gilt nicht nur für hungrige Menschen, sondern auch für Tiere.

Dahinter steckt wahrscheinlich die Art, mit der Mengen begutachtet werden: Hohe Stückzahlen werden in der Regel mit großen Mengen assoziiert. So wirkt ein Bagel, der in vier Stücke zerschnitten worden ist, reichhaltiger als das unversehrte Backwerk. Elizabeth Capaldi, die auch an der aktuellen Studie beteiligt war, zeigte vor einigen Jahren, dass auch Ratten ihr Fressen in kleineren Einheiten bevorzugen.

Die Tiere bekamen dabei in einem Labyrinth Nahrung angeboten - entweder ein Stück von 300 Milligramm oder die gleiche Gesamtmenge in vier Portionen zu je 75 Milligramm. Nach einer Weile lernten die Tiere, in welchem Eck des Labyrinths welche Darreichungsform zu erwarten war und entwickelten eine Vorliebe für jene Bereiche, in denen die kleinere Stückchen warteten.

Die Arbeitsgruppe aus Arizona entwickelte das Rattenexperiment nun weiter: Diesmal teilte sie das Futter für die Nager in 30 Portionen auf und überprüften, wie schnell die Tiere losflitzten, um sich die Belohnung zu holen. Die unterteilten Portionen motivierten die Tiere zu höheren Leistungen als die gleiche Menge am Stück.

Das wiederum deckt sich mit Erkenntnissen aus anderen Bereichen der Psychologie: Die Aussicht auf sehr große Belohnungen schmälert die Leistungen von Menschen.

Mehr über die größten Diät-Fallen erfahren Sie in diesem Überblick.

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Quelle:
SZ vom 11.07.2012
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