Prüfbericht zum Organspende-Skandal:Schwerer Verdacht gegen Uni-Klinik Münster

Die Kontrollen der deutschen Leber-Transplantationszentren haben weitere Verstöße ans Licht gebracht. Auch in Münster sollen Ärzte systematisch gegen die Richtlinien verstoßen haben.

Von Guido Bohsem

Auch an der Uniklinik Münster ist es in den vergangenen Jahren zu Unregelmäßigkeiten bei der Einstufung von Transplantationspatienten gekommen. Laut Bericht der Prüfungs- und Überwachungskommissionen habe es dort schwerwiegende und systematische Verstöße gegen die geltenden Richtlinien gegeben. Dies sei bei 25 der 67 überprüften Fälle festgestellt worden. Anhand der dort festgelegten Kriterien wird ermittelt, wie dringend eine Organverpflanzung bei Leberkranken ist.

Münster reiht sich damit ein in die Vorfälle an den Transplantationszentren Göttingen, München rechts der Isar und Leipzig. Allerdings ist der Fall dort offenbar nicht so gelagert wie in Göttingen, wo gegen den verantwortlichen Arzt derzeit ein Gerichtsprozess läuft. Anders als in München und in Leipzig gebe es in Münster auch noch kein Ermittlungsverfahren.

Laut Bericht wurden in Münster Patienten als Dialysefälle eingestuft, obwohl sie keine Blutwäsche erhalten hatten. Als leberkranker Dialysepatient hat man aber größere Chancen auf ein Spenderorgan. Grob vereinfacht haben die Mediziner in Münster stattdessen eine andere Art der Blutreinigung angewendet und diese als eine herkömmliche Dialyse ausgegeben. Die verantwortlichen Mediziner sahen dieses Vorgehen laut Bericht durch die entsprechenden Richtlinien gedeckt. Das Universitätsklinikum wies den Vorwurf zurück, gegen die Vorgaben verstoßen zu haben.

Das ebenfalls in Verdacht der Manipulation gekommene Transplantationszentrum in Regensburg schneidet im Untersuchungsbericht positiv ab. Das liege aber daran, dass sich die Vorfälle dort vor dem Prüfzeitraum 2010/2011 ereignet hätten.

Streben nach Ruhm und Ehre als Grund für Verstöße

Die Überprüfung war anberaumt worden, nachdem die Vorfälle in Göttingen bekannt geworden waren. Die Staatsanwaltschaft wirft dem verantwortlichen Transplantationschirurgen mehrfachen Totschlag vor, weil er der Organvermittlungsstelle Eurotransplant falsche Daten gemeldet habe, um schneller Spenderlebern für seine Patienten zu bekommen.

Die Kommissionen überprüften in 24 Zentren für Lebertransplantationen insgesamt 1180 Krankenakten. In den Jahren 2010 und 2011 wurden insgesamt 2303 Lebern gespendet. Auch in den 20 übrigen Zentren kam es zum Teil zu Regelverstößen, in manchen sogar gehäuft. Jedoch bestehe kein Verdacht auf systematische oder bewusste Falschangaben.

Der Chef der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, betonte, in keinem der Fälle sei es um persönliche Bereicherung der einzelnen Mediziner gegangen. Auch eine Bevorzugung von Privatpatienten habe es nicht gegeben. Vielfach sei es das Streben nach Ruhm und persönlicher Ehre, das zu den Manipulationen geführt habe. Womöglich setze auch das Vergütungssystem Anreize, sodass die Krankenhäuser nach einer besonders hohen Zahl von Transplantationen strebten.

Die Grünen forderten eine unabhängige staatliche Aufsicht. Nur so könne das Vertrauen wiederhergestellt werden. Die SPD sprach sich für einen Transplantationsbeauftragten aus.

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