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Posttraumatische Belastungsstörung:Der Krieg hinterlässt weniger Spuren

Soldaten können nach ihrem Einsatz unter wiederkehrenden Erinnerungen an schreckliche Erlebnisse, unter Alpträumen und Gefühlen der Entfremdung leiden. Doch offenbar tritt die Posttraumatische Belastungsstörung unter US-Soldaten seltener auf als befürchtet.

Zehn Jahre nach dem Ausbruch der Kriege in Afghanistan und Irak leiden unerwartet wenige US-Soldaten unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS). Je nach Studie seien nur 2,1 bis 13,8 Prozent der Kriegsteilnehmer erkrankt, berichtet der Psychologe Richard McNally von der Harvard University in einem Überblicksartikel ( Science, Bd. 336, S. 872, 2012).

In der methodisch zuverlässigsten Arbeit zeigten 4,3 Prozent des gesamten militärischen Personals und 7,6 Prozent der Soldaten, die an Gefechten beteiligt waren, die typischen Symptome der PTBS: Die Betroffenen leiden unter immer wiederkehrenden Erinnerungen an ihre schrecklichen Erlebnisse, sie haben Alpträume, fühlen sich losgelöst von ihrer Umgebung, apathisch und zugleich übererregt.

Nach den Erfahrungen des Vietnamkrieges hatten manche Experten befürchtet, dass bis zu 30 Prozent der Kombattanten psychisch gestört heimkehren könnten. Psychologe McNally vermutet, dass mehrere Faktoren dies verhindert haben: So hätten die modernen Kriege weniger Opfer gefordert. In einer Kriegsdekade im Irak verloren weniger als 5000 Soldaten ihr Leben; im Vietnamkrieg waren es in einem gleich langen Zeitraum mehr als 55 000. Vorbereitungsprogramme vor dem Einsatz und moderne kognitive Verhaltenstherapien bei Betroffenen hätten die Erkrankungsraten ebenfalls gesenkt.

Nicht zuletzt könnte es auch sein, dass früher das Problem überschätzt wurde. McNally berichtet von einer Studie mit dänischen Veteranen, in der mit einem üblichen Fragebogen eine PTBS-Quote von 21 Prozent ermittelt wurde. Als erfahrene Ärzte mit der gleichen Gruppe strukturierte klinische Interviews führten, kamen sie auf eine Rate von vier Prozent.

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SZ vom 19.05.2012/cwb/beu
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