Verkehr:Pop-Up-Radwege animieren Autofahrer zum Umstieg

Münchner Planungsausschuss berät über Pop-up-Radwege

Radfahrer nutzen eine vorübergehend abgesperrte Straßenspur an der Alster als Radweg.

(Foto: Christian Charisius/picture alliance/dpa)

Während der Pandemie sind vielerorts provisorische Radwege entstanden. Eine neue Studie zeigt, dass deshalb in ganz Europa mehr Menschen aufs Auto verzichten.

Von Peter Strigl

Sie waren als Provisorium während des ersten Lockdowns im April 2020 gedacht, mittlerweile haben sie sich bewährt und wurden auch in zahlreichen anderen Orten eingerichtet: die Pop-up-Radwege Berlins. Mit einfachsten Mitteln wie Farbe und Verkehrszeichen hatte die Stadt quasi über Nacht Teile wenig befahrener Straßen für den Radverkehr abgetrennt.

Tatsächlich sind die schnell eingerichteten Radwege eine Erfolgsgeschichte, wie eine Studie des Berliner Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) jetzt belegt hat. Wie die Forscher um den Politikanalysten Sebastian Kraus im Fachmagazin Proceedings of the National Academy of Sciences berichten, waren im Erhebungszeitraum von März bis Juli 2020 in Städten mit Pop-up-Radstreifen elf bis 48 Prozent mehr Fahrradfahrer unterwegs. Das zeigen die Daten von 736 Zählstationen aus 106 europäischen Städten.

Die trotzdem großen Unterschiede in den Zahlen kommen durch die zahlreichen Variablen zustande. "Es ist klar, dass viele Leute wegen Corona sowieso aufs Rad umsteigen, um nicht im vollen Bus zu sitzen", sagt Kraus. Darüber hinaus können aber Faktoren wie Ausbau des Nahverkehrs, Bevölkerungsdichte, Position der Zählstation, Topografie und das Wetter eine Rolle spielen.

Für einen Kilometer Radweg bezahlte die Stadt Berlin lediglich 9500 Euro

In Kommunalparlamenten werden immer wieder Einwände gegen die Pop-up-Projekte laut, obwohl bislang keine Daten vorlagen, was die Folgen der durchschnittlich 11,5 Kilometer zusätzlichen Radwege pro Stadt sind. Jetzt kann die Diskussion auf der Grundlage von Fakten geführt werden. "Es ist nicht zielführend, wenn man aufgrund fehlender Evidenz ideologische Grundsatzdebatten über städtische Verkehrsplanung und Klimapolitik führt", sagt Co-Autor Nicolas Koch über den Hintergrund der Studie.

Angesichts der Ergebnisse raten die Studienautoren, häufiger von der günstigen Pop-up-Methode Gebrauch zu machen. Für einen Kilometer Radweg bezahlte die Stadt Berlin lediglich 9500 Euro. "Die Chance, hier mit wenig Aufwand den Verkehrsmittelmix erheblich zu beeinflussen, wird in vielen Städten zu Unrecht vernachlässigt", so Kraus. Zugleich verweisen er und seine Kollegen auf die gesundheitlichen Vorteile. In der US-amerikanischen Forschungsliteratur gibt es eine Faustregel, wonach jeder geradelte Kilometer einen halben Dollar Gesundheitskosten einspart. Allein für die neuen Wege in den untersuchten Städten summiere sich das auf mindestens eine Milliarde Dollar im Jahr.

Dafür muss man jedoch annehmen, dass die Zahlen stabil bleiben. "Ob sich ein solcher Wirkungszusammenhang auch in Nicht-Pandemie-Zeiten ergibt, könnte Gegenstand weiterer Forschung sein", sagt Koch.

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