Süddeutsche Zeitung

Großbritannien:Junge erblindet nach jahrelangem Konsum von Junkfood

  • Der britische Jugendliche soll seit der Grundschule hauptsächlich Pommes, Chips und Weißbrot gegessen haben.
  • Seine Ärzte vermuten eine seltene Essstörung, bei der Kinder nur wenige Speisen akzeptieren.
  • Inwieweit die Eltern und das Lebensmittelangebot im aktuellen Fall eine Rolle spielen, ist offen.

Von Kathrin Zinkant

Kind, iss Deine Karotten, sonst bekommst Du schlechte Augen! Es gibt sicher so einige Erwachsene, die sich an die Ermahnungen von Mutti noch gut erinnern und nicht nur Karotten als Kind deshalb abgrundtief hassten.

Der Aufsehen erregende Fall eines Jugendlichen aus Großbritannien allerdings lehrt jetzt etwas anderes. Der heute 19-Jährige aus Bristol ist nämlich erblindet und schwerhörig, weil er seit der Grundschule ausschließlich Junk Food gegessen hat. Das berichten Kinderärzte in der aktuellen Ausgabe des Fachjournals Annals of Internal Medicine.

Demnach ernährte sich das Kind vornehmlich von Pommes Frites, gepressten Kartoffelchips, Weißbrot und gelegentlichen Portionen von verarbeitetem Speck und Würstchen. Mit 14 klagte der Junge über Müdigkeit, mit 15 traten erste Hörprobleme auf. Ärztliche Untersuchungen führten zu keiner Diagnose, man gab dem Kind Vitamine. Mit 17 hatte der Jugendliche bereits einen Teil seines Augenlichts verloren.

Wie die Ärzte in dem Fallbericht schreiben, hat der Junge ihrer Ansicht nach nicht einfach bloß einen schlechten Geschmack. Er soll unter einer Avoidant-restrictive Food Intake Disorder leiden, kurz ARFID, übersetzt Vermeidend-restriktive Nahrungsaufnahmestörung. Die psychische, vermutlich durch Ängste ausgelöste Erkrankung betrifft laut einer Schweizer Studie vermutlich drei von 100 Kindern, meist Jungen um die elf Jahre, und äußert sich in einer Beschränkung auf sehr wenige Lebensmittel - oft solche mit einer besonderen Konsistenz. Unbehandelt treten im Verlauf der Erkrankung Entwicklungsstörungen, Untergewicht und Mangelerscheinungen auf.

Zumindest das Untergewicht und die Mangelerscheinung treffen im aktuellen Fall zu. Der Junge war stets sehr dünn und der Verlust seines Augenlichts ist den Ärzten zufolge die Konsequenz eines über Jahre anhaltenden Vitamin-B-Mangels. Die Mutter sagte der britischen Zeitung Independent jedoch, sie habe ihrem Sohn stets gesundes Essen angeboten, er habe es nur nicht angerührt. Da er nicht dick wurde und auch sonst gesund erschien, habe sie sich lange Zeit keine Sorgen gemacht. Ob der Erblindete jedoch wirklich unter einer ARFID litt, ist unklar. Fest steht lediglich, dass der Junge sich offenbar schon als Grundschüler selbst mit stark verarbeiteten Lebensmitteln versorgen konnte.

Seine Pommes kaufte er sich täglich an einem Fish&Chips-Wagen. Und obwohl der behandelnde Arzt gegenüber dem Independent sagte, die stark verarbeiteten Lebensmittel seien nicht "per se" für die Erblindung des Jugendlichen verantwortlich, kann ein solches Essverhalten vermutlich erst durch die einfache Verfügbarkeit minderwertiger Nahrung wie Chips, Weißbrot und Pommes Folgen zeitigen. Eltern sollten deshalb auf die Ernährung zu Hause achten und sich von der vermeintlichen Gesundheit einseitig Junkfood-essender Kinder nicht zu lange beruhigen lassen: Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte empfiehlt, bei auffälligem Essverhalten mit einem pädiatrischen Facharzt zu sprechen.

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