Pollenallergie:"Die Hälfte der Patienten erkennt den Heuschnupfen nicht"

Allergien: Wenn die Körperabwehr verrückt spielt

So sieht der Pricktest aus. Reagiert die Haut auf die aufgetropfte Lösung, liegt der Verdacht auf eine Allergie vor.

(Foto: Frank May/dpa)

Viele Patienten verwechseln Heuschnupfen mit einer Erkältung. Andere sind von ihrer Pollenallergie überzeugt, obwohl sie nie ein Arzt bestätigt hat. Warum eine gründliche Diagnose wichtig ist.

Von Katrin Neubauer

Schnupfen im Sommer? Kann vorkommen. Läuft die Nase aber wochenlang, jucken und tränen die Augen und will das Niesen kein Ende nehmen, sollte ein Arzt zu Rate gezogen werden. "Heuschnupfen ist keine Bagatellerkrankung", warnt die Biologin Anja Schwalfenberg vom Deutschen Allergie- und Asthmabund (DAAB). Die chronisch entzündliche Krankheit erfordert eine genaue allergologische Diagnostik - diese wird bei konkretem Verdacht auch von den Gesetzlichen Kassen erstattet. Bleibt die Pollenallergie nämlich über Jahre unbehandelt, kann sich daraus Asthma bronchiale entwickeln. Schätzungen zufolge ist dies bei bis zu 40 Prozent der Heuschnupfenpatienten der Fall.

Doch: "Die Hälfte der Patienten unternimmt nichts, weil sie den Heuschnupfen als solchen gar nicht erkennen", sagt Ludger Klimek, Leiter des Zentrums für Rhinologie und Allergologie in Wiesbaden. Andere kaufen sich die gängigen Medikamente in der Apotheke, manchmal ohne dass eine Diagnose gestellt wurde. "Viele betreiben Selbstmedikation oder wissen nicht, dass die Diagnostik durch einen allergologisch erfahrenen Arzt erfolgen sollte", sagt Schwalfenberg. Für die Betroffenen ist die Situation auch nicht ganz einfach: "In Deutschland sinkt die Zahl der Arztpraxen, die allergologische Diagnostik und Therapie durchführen", so die Expertin.

Nicht immer ist Heuschnupfen leicht von einer normalen Erkältung zu unterscheiden. "Patienten können auch typische Erkältungssymptome wie Halskratzen, Husten, Schnupfen und Gliederschmerzen haben", sagt Ludger Klimek. Halten die Beschwerden aber über Wochen an oder treten sie jedes Jahr zu einer bestimmten Zeit auf, besteht der Verdacht auf eine Allergie.

Betroffene sollten daher möglichst genau über die Zeit der Beschwerden Auskunft geben können. Der Arzt kann diese Daten dann mit den Blühzeiten der Pflanzen abgleichen und so erste Hinweise gewinnen, ob es sich überhaupt um Heuschnupfen handelt und wenn ja, welche Pollen in Frage kommen.

Bei einem Verdacht auf Heuschnupfen ist die erste Wahl der Pricktest. Dabei werden meist am Unterarm auf gekennzeichnete Stellen allergene Lösungen aufgetropft und mit einem Nadelstich unter die Haut gebracht. Nach 15 bis 20 Minuten können die Testergebnisse abgelesen werden. Bei einer allergischen Reaktion bildet sich eine rote Quaddel, ähnlich wie bei Brennesseln.

Es kann allerdings passieren, dass der Pricktest auf der Haut falschen Alarm gibt. Denn manchmal reagiert die Haut auf Allergene, die in den Schleimhäuten von Mund und Nase gar keine Beschwerden hervorrufen. Unter Umständen kann auch hier ein Abgleich mit der Zeit der Beschwerden bestimmte Allergene ausschließen. Doch wenn ein Patient auf mehrere Pollen allergisch reagiert und längere Zeit des Jahres unter Heuschnupfen leidet, wird die genaue Zuordnung der Beschwerden zu den Pollen schwierig.

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Provokationstest und Bluttest

In dem Fall kann ein Provokationstest helfen. Bei ihm werden die verdächtigen Allergene direkt auf die Schleimhäute, also den Ort des Allergie-Geschehens, gesprüht. Anhand der Reaktionen der Schleinhäute findet der Arzt heraus, auf welche Allergene der Patient anspricht.

Ganz genauen Aufschluss bringt ein Bluttest. Hierbei wird nach bestimmten Antikörpern, so genannten Immunglobulinen E (IgE) gefahndet. Diese sind für die allergische Reaktion des Immunsystems auf bestimmte Pollen-Eiweiße verantwortlich.

Anhand der Antikörper im Blut ist nachweisbar, welche Bestandteile der Pollen die Auslöser für Heuschnupfen sind. "Birkenpollen haben zum Beispiel 500 bis 800 verschiedene Proteine. Davon sind aber vielleicht nur eins oder zwei für die Allergie verantwortlich", erläutert Klimek. Weiß man, auf welches Protein der Körper reagiert, kann man auch vor möglichen Kreuzallergien warnen. So können Birkenpollenallergiker aufgrund der ähnlichen Proteinstruktur auch allergisch auf Äpfel reagieren oder Gräserpollenallergiker auf Tomaten. Nach Angaben des DAAB leidet mehr als die Hälfte der Pollenallergiker an Kreuzallergien.

Bei Verdacht auf Heuschnupfen können sich Betroffene zur ersten Abklärung an ihren Hausarzt wenden. "Die Diagnostik und weitere Behandlung sollte auf jeden Fall ein allergologisch erfahrener Hals-Nasen-Ohrenarzt übernehmen", sagt Schwalfenberg. Leiden Patienten zusätzlich an Atemwegsproblemen, sei die Konsultation eines Lungenarztes, der auch Allergologe ist, sinnvoll. Mitunter kann in einem Lungenfunktionstest überprüft werden, inwieweit das Organ durch die Allergie beeinträchtigt ist.

"Wichtig ist, dass Patienten überhaupt erst einmal zum Arzt gehen", betont Klimek. Mit der Kenntnis des Allergieauslösers lasse sich die Therapie verfeinern. Außerdem können Patienten ihr Verhalten besser daran ausrichten. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass die Erkrankung irgendwann verschwindet, ist eher gering. Klimek: "Nur bei fünf bis acht Prozent der Teenager, die Heuschnupfen haben, wächst sich die Allergie aus. Bei 70 bis 80 Prozent wird es im Laufe des Lebens schlimmer."

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