Pläne für Krebsregister:Daten, die Leben retten

Die Regierung will für ganz Deutschland Krebsregister anlegen. So sollen sich Therapien besser vergleichen lassen - und sich die mit den besten Erfolgen durchsetzen. Die Deutsche Krebsgesellschaft hofft auf einen Durchbruch beim Kampf gegen die heimtückische Krankheit.

Guido Bohsem, Berlin

"Wir haben hier ein großes Schatzkästchen", sagt Heribert Jürgens. Der Chef der Kinderonkologie an der Uniklinik in Münster spricht mit großem Nachdruck. Seit 1980 das Krebsregister für Kinder angelegt wurde, haben sich die Behandlungsergebnisse deutlich verbessert, berichtet er. Mehr Kinder als in anderen Industrienationen werden hierzulande geheilt, weniger sterben an ihrer Krankheit. Das Mainzer Register sammelt die Daten der etwa 2000 Kinder, die im Jahr an Krebs erkranken, und wertet sie aus. So lassen sich Therapien vergleichen, und die mit den besten Erfolgen setzen sich durch.

Geht es nach Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) sollen solche Verzeichnisse nun auch für krebskranke Erwachsene angelegt werden - in jedem Bundesland und mit einheitlichen Standards. Schließlich ist Krebs die zweithäufigste Todesursache in Deutschland. Die heimtückische Krankheit, die Zellen im Körper verändert, befällt jedes Jahr etwa 450.000 Menschen. "Die Regierung sagt dem Krebs den Kampf an", sagte Bahr bei einem Besuch des Krebszentrums in Münster. An diesem Mittwoch will das Kabinett einen Gesetzesentwurf beschließen, der den Weg frei machen soll für die Datensammlungen.

Johannes Bruns mag den Begriff Register nicht. "Das klingt so nach Verwaltung", sagt der Generaldirektor der Deutschen Krebsgesellschaft. Dabei sei das Gesetz ein Durchbruch, der durchaus mit dem Beschluss vergleichbar sei, die Breiten der Eisenbahnstrecken auf eine einheitliche Größe zu normieren. Mit dem Register werde die beste Behandlung zum Maßstab für alle. "Die Versicherten sollten sich nicht mehr auf die Suche nach dem besten Operateur machen müssen, um dann womöglich noch den besten Punkt seiner persönlichen Biokurve abzupassen", fordert Bruns. Die Qualität der Versorgung müsse überall hoch sein.

Ein optimales Ergebnis lässt sich erzielen, wenn mehr als 90 Prozent aller Patienten vom Krebsregister erfasst werden. Schon jetzt haben die Daten der bislang erst in ein paar Bundesländern vorhandenen Register Leben gerettet und das Überleben erleichtert. Über die Datensammlungen hat man beispielsweise erkannt, dass nicht bei jeder Brustkrebs-OP alle Lymphknoten im Achselbereich entfernt werden müssen. Das führte dazu, dass die behandelnden Ärzte deutlich weniger radikale Eingriffe wählen. Krebsregister machen auch auf Versäumnisse aufmerksam. So weiß man, dass eine Chemotherapie die Erfolgsaussichten einer Darmkrebs-Operation deutlich verbessert. Sie liegt um etwa 15 Prozent höher als eine Operation ohne Chemo. Doch wird dieses kombinierte Verfahren bei Weitem nicht überall angewandt. "So ein Register ist auch eine Kommunikationsplattform, über die sich Erkenntnisse austauschen lassen", urteilt Professor Jörg Haier vom Zentrum für Krebsmedizin in Münster.

Nach Bahrs Worten sollen nun von Ärzten, Kassen und Krankenhäusern festgelegt werden, welche Daten bundesweit erfasst werden müssen. Spätestens 2018 sollen die Register aufgebaut sein. Über die Kosten ist sich Bahr mit den Ländern weitgehend einig. Die Krebsgesellschaft soll die Anschubfinanzierung leisten, den Rest zahlen die Kassen.

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