"Pille danach":Verhütung im Nachhinein

Verhütung: Pille danach

Über die "Pille danach" herrscht offenbar in weiten Teilen der Gesellschaft Unkenntnis.

(Foto: dpa)

Die katholischen Bischöfe wollen Vergewaltigungsopfern die "Pille danach" zugestehen. Doch nur "insofern sie eine verhütende und nicht eine abtreibende Wirkung hat". Diese Einschränkung ist medizinisch gesehen unsinnig. Wie die Pille tatsächlich wirkt.

Von Christina Berndt

Verhütung vor dem Sex wäre besser gewesen. Das denken sich auch die meisten Frauen, wenn sie nach einem ungeplanten Geschlechtsverkehr die Sorge plagt, dass sie schwanger geworden sein könnten. Immerhin, so wissen die meisten, gibt es für solche Notfälle die "Pille danach", die eine Schwangerschaft meist noch abwenden kann. Doch diese Pille, die in den meisten europäischen Ländern - nicht aber in Deutschland - einfach in der Apotheke zu haben ist, hat in Deutschland immer noch keinen besonders guten Ruf - nicht nur unter Bischöfen, die sie bis vor wenigen Tagen selbst nach einer Vergewaltigung ablehnten.

Das Thema ist so abseitig, dass selbst Frauenärzte nicht immer treffend über die postkoitale Empfängnisverhütung informiert sind, wie jüngst in Talkrunden zu vernehmen war.

Im Falle einer Vergewaltigung will die katholische Kirche die Pille nun erlauben, "insofern sie eine verhütende und nicht eine abtreibende Wirkung hat", verkündeten die Bischöfe. Ohne Segen bleiben Methoden und Präparate, "die den Tod eines Embryos bewirken". Doch die Einschränkung ist unnötig: Die in Deutschland zugelassenen Präparate taugen keinesfalls zum Schwangerschaftsabbruch. Sie verhindern oder verzögern nur den Eisprung der Frau, sodass es gar nicht erst zur Befruchtung kommen kann. Eine Einnistung bereits befruchteter Eizellen verhindern sie nicht.

Damit haben die Pillen unter dem Aspekt der Empfängnisverhütung aber auch einen erheblichen Nachteil: Sie können nicht mehr helfen, wenn der Eisprung bereits stattgefunden hat. So verhindern Präparate mit dem Wirkstoff Levonorgestrel eine Schwangerschaft nur in 52 bis 94 Prozent der Fälle. Dazu können sie bis zu 72 Stunden nach dem Verkehr eingenommen werden - je früher das geschieht, desto sicherer wirken sie.

Neuere Präparate mit dem Wirkstoff Ulipristalacetat sind etwa doppelt so effektiv wie Levonorgestrel-Pillen. Das liegt daran, dass Levonorgestrel den Eisprung nur dann verhindert, wenn er mindestens zwei Tage in der Zukunft liegt; Ulipristalacetat wirkt bis wenige Stunden vor dem Eisprung. So kann es "den Eisprung auch dann noch verzögern, wenn die Konzeptionswahrscheinlichkeit am höchsten ist", sagt Thomas Dimpfl, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe.

Das Gerücht, die neueren Notfall-Pillen würden auch die Einnistung bereits befruchteter Embryonen verhindern, wie es die deutschen Bischöfe befürchten, ist dagegen längst widerlegt - ebenso wie die Behauptung, sie beeinträchtigen die spätere Fruchtbarkeit der Frau. Insgesamt sind die Nebenwirkungen gering. All das haben Gynäkologen vom Karolinska-Institut in Stockholm jüngst noch einmal in einer Übersichtsarbeit herausgestellt (Best Practice and Research - Clinical and Endocrinological Metabolism, Bd. 27, S. 91, 2013). Die Bedenken sollten endlich ausgeräumt werden, so die Gynäkologen. Denn sie "schaffen große Hürden für einen verbreiteten Einsatz", der im Sinne geringerer Abtreibungsraten wünschenswert sei.

WHO empfiehlt die Abgabe ohne Rezept

Methoden, die tatsächlich die Einnistung befruchteter Eizellen verhindern, sind zur Verhütung einer Schwangerschaft sicherer. Einzig verfügbar ist dafür die Kupferspirale, die sich Frauen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge auch noch fünf Tage nach dem ungeschützten Sex einsetzen lassen können. Der schwedischen Analyse zufolge gibt es danach nur noch ein Restrisiko von etwa einem Prozent für eine Schwangerschaft.

Die Möglichkeiten der Notfallverhütung würden stärker genutzt, wenn die Pille danach endlich rezeptfrei zu erhalten wäre, sagt Regine Wlassitschau vom Pro-Familia-Bundesverband. Allerdings könnte eine solche rezeptfreie Abgabe nur für Levonorgestrel gelten, weil Ulipristalacetat womöglich im Fall einer schon länger bestehenden, von der Frau übersehenen Schwangerschaft dem Embryo schaden könne. Deshalb müsse eine Schwangerschaft vor der Abgabe von Ulipristalacetat ärztlich ausgeschlossen werden, betonen Deutschlands Frauenärzte.

Sie lehnen aber auch die rezeptfreie Abgabe von Levonorgestrel mit Verweis auf das verbleibende Restrisiko für eine Schwangerschaft ab. Levonorgestrel sei veraltet, seit Ulipristalacetat verfügbar sei, heißt es in einer Stellungnahme vom Herbst 2012.

"Dem widersprechen wir vehement", betont Regine Wlassitschau von Pro Familia. Die rezeptfreie Abgabe werde von der WHO, der US-Arzneimittelbehörde FDA und dem Sachverständigenrat Verschreibungspflicht im Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte empfohlen. "Die Forderung, eine langjährig bewährte Methode mit hoher Sicherheit und Wirksamkeit als überholt einzustufen, ist wissenschaftlich und gesundheitspolitisch unseriös", ergänzt die Ärztin Ines Thonke von Pro Familia.

Ohnehin, meint Wlassitschau, bräuchten Frauen keine ärztliche Beratung, ehe sie sich für die Pille danach entscheiden. Das habe auch eine Studie der WHO ergeben: "Es genügt, wenn Frauen in der Apotheke beraten werden und den Beipackzettel lesen." Ein niedrigschwelliger Zugang könnte viele ungewollte Schwangerschaften, spätere Abtreibungen und viel Leid verhindern, so Wlassitschau: "Da, wo es möglich ist, sollten Frauen eigenständig handeln können."

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