Süddeutsche Zeitung

Pflegenotstand:Das bekommt man, wenn man zu Hause pflegt

Kassen zahlen für häusliche Pflege je nach Pflegegrad. Beratungsstellen erklären, wie Anträge richtig ausgefüllt und Angebote klug kombiniert werden

Von Kristiana Ludwig, Berlin

Die Pflege eines Menschen in seiner eigenen Wohnung, rund um die Uhr, bezahlt keine Pflegekasse. Angehörige können aber verschiedene Hilfen nutzen und so dafür sorgen, dass die Betroffenen so wenig wie möglich alleine sind - zu einem Preis, den sie sich leisten können.

Um überhaupt Pflegegeld zu bekommen, müssen zunächst Gutachter bescheinigen, dass ein Mensch bedürftig ist. Der Betroffene stellt dafür einen Antrag bei seiner Krankenkasse, deren Medizinischer Dienst dann Punkte für Probleme verteilt: Fällt das Treppensteigen schwer?

Kann jemand noch Gefahren erkennen? Aus der Punktzahl berechnen die Kassen den Pflegegrad und nach ihm staffelt sich das auszuzahlende Geld. Stuft sie einen Menschen zu niedrig ein, kann er Widerspruch einlegen. Um sich auf den Besuch des Gutachters vorzubereiten und um alle weiteren Anträge richtig auszufüllen, sollten sich Angehörige beraten lassen. Es helfen zum Beispiel die Sozialdienste in Krankenhäusern oder sogenannte Pflegestützpunkte der Krankenkassen. Anerkannten Pflegebedürftigen steht jedes halbe Jahr eine weitere Beratung zu.

Ein Pflegedienst kommt bereits ohne einen Pflegegrad kostenlos ins Haus, wenn ein Arzt "Behandlungspflege" verordnet. Pfleger, die Verbände wechseln oder Medikamente geben, gibt es auf Rezept. Ein Alarmknopf am Arm oder an einer Halskette, mit dem Alleinstehende eine Notrufzentrale anfunken können, kostet rund 20 Euro im Monat. Pflegekassen übernehmen auf Antrag 18,36 Euro davon.

Für Haushaltshilfen oder Betreuer bekommen Bedürftige vom ersten Pflegegrad an 125 Euro im Monat. Diesen sogenannten Entlastungsbeitrag müssen sie allerdings vorstrecken. Wenn sie anerkannte Dienste nutzen, wird er erstattet. Legale Arbeit im Haushalt kann man außerdem von der Steuer absetzen.

Vom zweiten Grad an zahlt die Kasse ein Pflegegeld von 316 bis zu 901 Euro im Monat. Diese Summe kann ein Pflegebedürftiger frei nutzen, etwa um eine Putzfrau einzustellen oder Helfer aus der Nachbarschaft zu entschädigen.

Ambulante Pfleger dürfen ihre Hilfen vom zweiten Pflegegrad an als eine "Pflegesachleistung" in Rechnung stellen. Die Kasse zahlt ihnen je nach Grad 689 bis 1995 Euro. Dies gilt auch für eine Nachtpflege, bei der sich Pflegekräfte spätabends um Patienten kümmern. Unter Umständen können Bedürftige Pfleger auch von ihren 125 Euro Entlastungsbeitrag bezahlen.

Die Pflegekasse zahlt ebenfalls für Tagespflege-Einrichtungen, deren Mitarbeiter Bedürftige für einige Stunden am Tag abholen, um mit ihnen zu essen und sich mit ihnen zu beschäftigen. In einigen Heimen gibt es auch die Möglichkeit, dass Patienten hier schlafen und tagsüber wieder nach Hause fahren.

Solche Möglichkeiten eignen sich, um die Helfer zu Hause zu entlasten. Bis zu 1612 Euro im Jahr zahlt die Kasse zusätzlich für eine "Kurzzeitpflege" im Heim - meist nach einem Klinikaufenthalt oder einer plötzlichen Verschlechterung -, oder für eine "Verhinderungspflege". Diese Betreuung können Helfer beantragen, wenn sie eine Pause brauchen. Bis zu sechs Wochen am Stück sind möglich, aber es geht auch stundenweise.

Allerdings: Wenn ein Mensch im Heim betreut wird, zahlt ihm die Kasse nicht mehr das ganze Pflegegeld aus. Nur wenn er weniger als acht Stunden abwesend ist, wird es nicht gekürzt. Auch dann, wenn Profi-Pfleger Sachleistungen bekommen, gibt es weniger Pflegegeld. Um beides gleichzeitig zu bekommen, müssen Betroffene eine sogenannte Kombinationspflege  beantragen.

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Quelle:
SZ vom 07.06.2017/fehu
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