Pestizide:Wie gefährlich ist Glyphosat?

Umweltverband dringt auf Glyphosat verbot

Wie gefährlich ist Glyphosat? Der Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft hat eine Expertenanhörung zu den gesundheitlichen Risiken anberaumt.

(Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa)
  • Wie gefährlich ist das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat? Dazu gab es eine Expertenanhörung im Agrarausschuss des Bundestags.
  • Es geht um die Zulassung des Wirkstoffs, die in diesem Jahr eigentlich ausläuft, aber gerade noch einmal um sechs Monate bis Juni 2016 verlängert wurde.
  • Die Datenlage ist kompliziert, die Wissenschaft kommt zu keiner eindeutigen Antwort.

Von Hanno Charisius

Kohlenstoff, Stickstoff, Sauerstoff, ein bisschen Phosphor und Wasserstoff, das klingt erst mal ganz harmlos. Daraus könnte man zum Beispiel Adenosintriphosphat machen, einen wichtigen Energieträger für die Zellen des menschlichen Körpers. Im richtigen Verhältnis zusammengemischt wird daraus allerdings die Chemikalie, die im Moment vielen Menschen Angst macht: N-Phosphonomethylglycin, besser bekannt als Glyphosat.

Weil der Streit um die Sicherheit dieses Unkrautvernichtungsmittels seit Monaten immer weiter eskaliert, hat der Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft im deutschen Bundestag am Montagnachmittag eine Expertenanhörung zu den gesundheitlichen Risiken, die vermeintlich oder tatsächlich von Glyphosat ausgehen, anberaumt. Die Fraktionen des Bundestages hatten sieben Experten eingeladen, die vorab ihre Standpunkte schriftlich darlegten.

Die Anhörung war für gezielte Nachfragen der Politiker gedacht, vor allem mit Hinblick auf die Zulassung des Wirkstoffs, die in diesem Jahr eigentlich ausläuft aber gerade noch einmal um sechs Monate bis Juni 2016 verlängert wurde. Das soll der EU-Kommission und den Mitgliedsstaaten genug Zeit geben, alle Argumente abzuwägen. Die Datenlage ist kompliziert.

Kritiker monieren, das BfR schenke den Argumenten der Industrie zu viel Gehör

Im März hatte die Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation IARC mit der Nachricht erschreckt, dass sie Glyphosat als "wahrscheinlich krebserregend bei Menschen" einstufen wird. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Berlin war hingegen zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Einstufung und Kennzeichnung als kanzerogen nicht gerechtfertigt sei. Wie es zu derart unterschiedlichen Einschätzungen von zwei hoch respektierten Einrichtungen kommen konnte, war auch eine zentrale Frage der Anhörung.

Das BfR war mit der europäisch-gemeinschaftlichen Risikobewertung von Glyphosat beauftragt, die notwendig ist, bevor die Substanz erneut zugelassen werden kann. Der Bericht liegt derzeit bei der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit Efsa in Parma und wurde bislang nicht veröffentlicht. Alle geladenen Experten der Anhörung sowie alle weiteren Kritiker haben mit älteren Versionen des BfR-Gutachtens gearbeitet.

Ivan Rusyn von der A&M University in Texas ist einer der IARC-Gutachter. Er führte am Montag in Berlin die Unterschiede im Wesentlichen auf eine unterschiedliche Interpretation der vorliegenden Studien zurück. Die IARC-Forscher bewerteten die Beweiskraft der Krebsstudien an Versuchstieren höher als die Kollegen vom BfR. Auch bei der Dateninterpretation von Zellversuchen sieht er Unterschiede. Für ihn sehe es so aus, als spiele der BfR-Bericht Erkenntnisse über Kanzerogenität in Tierversuchen "wiederholt herunter".

Die abweichenden Meinungen könnten auch dadurch zustande gekommen sein, dass das BfR Industrie-finanzierte Studien berücksichtigt hat, anders als die IARC, erklärte die Gesundheitswissenschaftlerin Karen Friedrich von der staatlichen Universität von Rio de Janeiro. Sie empfiehlt, das Vorsorgeprinzip anzuwenden und Glyphosat in Europa zu verbieten, auch wenn kein wissenschaftlicher Konsens zustande komme. Der Biostatistiker Christopher Portier, der unter anderem für die IARC arbeitet, betonte, er könne nicht nachvollziehen, warum das BfR einige Tierversuche als wertlos abtue. Die Bewertungsverfahren müssten angeglichen werden, damit alle zum gleichen Ergebnis kommen können.

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