Pestizide:Umweltinstitut wirft Behörden bei Glyphosat "Fälschung" vor

Bauern müssen um EU-Agrarmilliarden bangen

Der Druck auf die Bauern, sich mit Alternativen zu Glyphosat auseinanderzusetzen, dürfte in Zukunft größer werden.

(Foto: Patrick Pleul/dpa)
  • Einer Anzeige wegen des Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat schließen sich weitere Organisationen an, darunter der Verein Umweltinstitut München.
  • Der Verein wirft dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) vor, bei der Bewertung von Glyphosat Studien unterschlagen zu haben.
  • Das BfR weist die Vorwürfe zurück - die betreffenden Studien seien begrenzt aussagekräftig. Ähnlich sieht es die internationale Krebsforschungsagentur IARC.

Von Kathrin Zinkant

Der Streit um das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat geht weiter: Sowohl der Verein Umweltinstitut München, als auch das deutsche Pesticide Action Network haben sich der Anzeige des österreichischen Umweltverbandes Global 2000 angeschlossen. Sie richtet sich gegen den Agrarkonzern Monsanto, die europäische Lebensmittelbehörde Efsa und das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). In Berlin stellte das Umweltinstitut am Donnerstag ein Gutachten des Bremer Epidemiologen Eberhard Greiser vor, das vor allem die Vorwürfe gegen das BfR erhärten soll. Es geht darin um Studien, die einen Zusammenhang zwischen dem direkten Kontakt mit Glyphosat und einem erhöhten Risiko für eine aggressive Form von Lymphdrüsenkrebs bei Menschen belegen sollen.

Das BfR hatte im Rahmen seiner wissenschaftlichen Neubewertung des Unkrautvernichters mehrere dieser Studien als "nicht zuverlässig" eingestuft und dies mit fehlenden Daten in den betreffenden Publikationen begründet, zum Beispiel zum Rauchverhalten der Teilnehmer oder deren Exposition mit Glyphosat. Greiser zufolge wurden diese Daten aber in fast allen Fällen von den Studienteilnehmern erhoben. Für den Experten der Umweltverbände ist klar, dass es sich bei der Bewertung des BfR um eine "vorsätzliche Fälschung handelt", deren Ziel gewesen sei, "wissenschaftlich exzellente Studien" abzuqualifizieren. Das Gutachten soll nun die Anträge an die Staatsanwaltschaften von Wien und Berlin stützen. Bislang hat nur die Wiener Behörde mit Nachforschungen begonnen und von Monsanto ohne Frist eine Stellungnahme gefordert.

Epidemiologisch fragwürdige Argumente

Greiser hatte seine Vorwürfe in Teilen bereits im September geäußert. Was seine Ausführungen beweisen, ist allerdings mehr als fraglich: Nur weil Einflussfaktoren wie Rauchen, Bewegung oder familiären Vorerkrankungen eben doch abgefragt wurden, sind die betreffenden Studien noch lange nicht zuverlässig oder gar "exzellent" für die Urteilsfindung. In der Epidemiologie nutzen Informationen über Rauchverhalten oder Ernährung nur dann etwas, wenn zugleich auch ihr Einfluss auf das Studienergebnis geprüft und aus diesem Ergebnis herausgerechnet wird. In Berlin konnte Greiser jedoch auf Nachfrage kein Beispiel dafür nennen, dass die fraglichen Studien solche Berechnungen einschließen und welchen Einfluss sie gegebenenfalls auf die Resultate hatten.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung bezog noch am Donnerstagmittag Stellung zu Greisers Gutachten und rechtfertigte die Einordnung der Studien. Sie sei ausschließlich mit Blick auf ihre Brauchbarkeit für die Bewertung des Pestizidwirkstoffes Glyphosat erfolgt, und nicht mit Blick auf die Qualität der Studien als solcher. Die internationale Krebsforschungsagentur der WHO, IARC, habe die Studien sogar ähnlich bewertet, nämlich als "beschränkt aussagekräftig". Darüber hinaus sieht sich das BfR ohnehin nicht mehr in der Verantwortung für den Abschlussbericht. Der sei nun Sache der europäischen Mitgliedsstaaten, deren Experten ihn übernommen und bestätigt hätten.

Das Gerangel geht also weiter und macht nur eines sicher klar: Transparenz und Klarheit sind keine Kennzeichen der europäischen Zulassungsverfahren. Zur Klärung der Verhältnisse im Fall Glyphosat tragen aber weder die Umweltverbände noch die Behörden bei. Zudem zeigen gerade die "aussortierten" Studien, die zum Teil eine Palette von Pestiziden untersucht und dabei potenziell noch schädlichere Ackergifte gefunden haben: Ein Verbot von Glyphosat, wie es sich die Umweltverbände wünschen, macht den konventionellen Ackerbau weder umweltfreundlicher noch gesünder, wenn die anderen Mittel in Gebrauch bleiben. Trotzdem beharrt das Umweltinstitut darauf. Und kennt die Lösung: "Es bräuchte nur ein paar solide Wissenschaftler, die sich diese Daten einmal ansehen", sagt Sophia Guttenberger vom Umweltinstitut München. Fragt sich bloß, wer das noch wagen will, wenn er dafür am Ende angezeigt wird.

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