Organspenden:Manipulationen bei der Vergabe begehrter Spenderorgane

Organspende

Ein Spenderorgan wird in den OP gebracht.

(Foto: Soeren Stache/dpa)

Ärzte haben nach dem Transplantationsskandal von 2012 weiter gegen Richtlinien verstoßen. Zum Teil wurden Patientendaten dreist gefälscht.

Von Christina Berndt

Die Hoffnung, dass bei Organtransplantationen in Deutschland jetzt alles mit rechten Dingen zugeht, hat sich nicht bewahrheitet. Auch nach dem Transplantationsskandal von 2012 haben manche Ärzte weiter gegen die Richtlinien zur Organvergabe verstoßen. Das wurde am Dienstag während der Vorstellung des Tätigkeitsberichts der Prüfungs- und Überwachungskommission (PÜK) in Berlin deutlich. Die Kommission von Bundesärztekammer, Deutscher Krankenhausgesellschaft und GKV-Spitzenverband überprüft regelmäßig alle deutschen Transplantationszentren. Und dabei hat sie auch für die jüngere Vergangenheit Unregelmäßigkeiten gefunden, konkret für die aktuelle Prüfperiode von 2013 bis 2015.

In dieser Zeit haben dem PÜK-Bericht zufolge Ärzte am Universitätsklinikum Jena Patienten auf dem Papier kränker gemacht, als sie in Wirklichkeit waren. Elf der 21 Patienten, die zwischen 2013 und 2015 in Jena eine Spenderlunge erhielten, wurden demnach "bewusst und gewollt" bevorzugt. Dadurch wurden andere Kranke auf der Warteliste benachteiligt. Manche mögen darüber verstorben sein.

Der "ganz überwiegende Teil" der Zentren habe "richtlinienkonform und korrekt gearbeitet"

Trotz dieses neuen Rückschlags für das Image der Transplantationsmedizin zogen die Prüfer in Berlin ein positives Fazit: Der "ganz überwiegende Teil" der Zentren habe "richtlinienkonform und korrekt gearbeitet", sagte die Vorsitzende der Prüfungskommission, Anne-Gret Rinder. 31 Transplantationsprogramme seien bisher für die Jahre 2013 bis 2015 überprüft worden. Unter diesen sei nur Jena durch systematische Manipulationen aufgefallen. Und die Verstöße dort hätten im Sommer 2014 ein Ende gefunden. Daher geht Rinder davon aus, dass in Jena "in Zukunft korrekt gearbeitet" werde. In der ersten Prüfperiode (2010 bis 2012) seien dagegen viel mehr Zentren negativ aufgefallen, sagte die PÜK-Vorsitzende. In diesem Zeitraum fanden die Prüfer in 14 Programmen systematische Regelverstöße. Neu mit dabei: das Lungenprogramm am Herzzentrum Leipzig, wo dem aktuellen Bericht zufolge bei 29 von 53 Patienten Falschangaben gemacht wurden.

Kritiker fühlen sich durch diese Meldung bestätigt: "Seit Jahren versichern uns die Verantwortlichen, dass es Manipulationen nur bis zum Skandal gegeben habe", sagt Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz. "Der neue Prüfbericht zeigt aber, dass es immer noch keine Sicherheit gibt." Es gebe bis heute Ärzte, "die die Regeln dreist ignorieren".

Dabei fällt das Uniklinikum Jena bereits zum wiederholten Mal auf. Auch in der alten Prüfperiode hatte es dort Manipulationen gegeben - bei Herzen und Lungen. Als die Vorwürfe 2015 bekannt wurden, trennte sich das Klinikum von den beiden verantwortlichen Oberärzten. Ein Grund für deren Handeln sei wohl gewesen, "den sehr schwer erkrankten Patienten helfen zu wollen", sagt Jens Maschmann, Medizinischer Vorstand in Jena. Allerdings seien die Manipulationen damit nicht zu rechtfertigen.

Manche Lungenkranke konnten nach Aktenlage in sechs Minuten keine 46 Meter mehr gehen

In den Altfällen hat die Staatsanwaltschaft ihr Ermittlungsverfahren inzwischen eingestellt. Manipulationen an der Warteliste seien damals noch nicht strafbar gewesen, sagte ein Sprecher auf Anfrage. Dies änderte sich erst 2013, infolge des Skandals. Seither stehen auf solche Manipulationen bis zu drei Jahre Haft - also auch auf die neuen Vorwürfe gegen die Ärzte in Jena. Die Staatsanwaltschaft prüft derzeit, ob sie Ermittlungen einleitet.

Laut Bericht war der dargestellte Zustand der Jenaer Lungenpatienten furchterregend, das Verhalten der Ärzte aber furchtbar: Manche Lungenkranke konnten nach Aktenlage in sechs Minuten keine 46 Meter mehr gehen. Das brachte ihnen zahlreiche Punkte auf der Warteliste ein. Doch die Ärzte hatten die Lungenkranken die Teststrecke laufen lassen, ohne ihnen Sauerstoff zu verabreichen. Damit bekamen sie nicht nur das desaströse Testergebnis, das die Patienten übertrieben krank erscheinen ließ; sie gefährdeten auch noch deren Leben, meinen die Prüfer: Es sei fahrlässig, die Lungenkranken "einer Belastungssituation auszusetzen, ohne dass sie den eigentlich benötigten Sauerstoff erhielten."

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