Organspende:Wie tot ist tot?

Wieder einmal wird die Organspende in Frage gestellt - diesmal durch schlampige Hirntod-Diagnosen. Die Ärztekammer ist unfähig, verlässliche Regelungen zu entwerfen.

Kommentar von Christina Berndt

Die Bereitschaft, Organe zu spenden, ist in Deutschland nicht besonders hoch. Dabei sind es vor allem drei Sorgen, die Menschen von diesem altruistischen Akt, dem sie meist positiv gegenüberstehen, abhalten: Sie haben Angst, dass Ärzte ihnen womöglich nicht mehr helfen, wenn sie einen Organspendeausweis bei sich tragen; sie sorgen sich, dass ihre Organe nicht gerecht verteilt werden - und schließlich fürchten sie, "nicht richtig tot" zu sein, wenn ihnen Leber und Herz entnommen werden. Leider haben die vergangenen drei Jahre gezeigt, dass es durchaus Anlass zu solchen Sorgen gibt.

Der Transplantationsskandal, der im Sommer 2012 begann, zeigte, dass Ärzte an mehreren Kliniken bei der Vergabe von Spenderorganen gegen Recht und Gerechtigkeit verstießen. Strengere Gesetze machen solch eigenmächtiges Handeln derzeit eher unwahrscheinlich. Dafür zeigt sich nun, dass die Sorge um das Richtigtotsein nicht einfach vom Tisch gewischt werden kann: Tröpfchenweise erfährt die Öffentlichkeit von Fehlern bei der Feststellung des Hirntods, der Voraussetzung für die postmortale Organspende ist.

Elf Fälle sind in den vergangenen Jahren bekannt geworden. Die Zahl der fehlerhaften Diagnosen, die unbekannt geblieben sind, wird weit darüber liegen. Meist fielen die Fehler noch vor der Organentnahme auf - wie auch beim aktuellen Fall aus Bremerhaven. Einigen Patienten wurden aber auch Organe entnommen. Es war nur Glück, dass diese Menschen trotz der fehlerhaften Diagnose wohl hirntot waren und von der Organentnahme nichts gespürt haben.

Den Hirntod richtig festzustellen, ist eigentlich nicht sehr schwer

Auf dem sensiblen Feld der Organspende ist jeder Fehler einer zu viel. Im Sinne des Menschen, der aus Nächstenliebe und ohne jeglichen eigenen Nutzen seine Organe spendet, darf es keinerlei Zweifel an der absoluten Verlässlichkeit des Verfahrens geben.

Die Hirntodfeststellung, die, richtig gemacht, eine sichere Sache ist, ist technisch nicht so anspruchsvoll, dass dabei ständig Fehler passieren müssten. Diese geschehen, weil die Anforderungen an Ärzte, die diese entscheidende Diagnose stellen dürfen, lächerlich gering sind. Es ist an der Zeit, dieses Thema spezialisierten Ärzteteams zu überantworten, die darin verlässliche Routine entwickeln können.

Die Bundesärztekammer ist mit der vertrauenswürdigen Regelung dieses Bereichs ganz offensichtlich überfordert. Seit Jahren sind die Probleme bekannt; seit Jahren doktert sie an neuen Hirntod-Richtlinien herum. Nach außen wiegelt sie stets ab, erteilt auch auf Anfrage keine Auskunft und lässt Vorfälle verjähren, ohne Konsequenzen daraus zu ziehen.

Auch im aktuellen Fall ließ sich die Ärztekammer erst auf massiven öffentlichen Druck zu einem halbherzigen Statement bewegen, das man nur als Verschleierungstaktik bezeichnen kann. Das hochempfindliche Feld der Organspende darf nicht mehr länger im Bereich eines privaten Ärztevereins angesiedelt sein; es gehört in öffentliche Hände. Damit sich die Menschen, die mit ihren Organen etwas Gutes tun wollen, endlich keine Sorgen mehr machen müssen.

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