Organspende:Deutschland wird zum Sonderfall in Europa

Organspende: Eine Widerspruchslösung bei der Organspende, wie jetzt in den Niederlanden beschlossen, wird auch in Deutschland schon lange diskutiert.

Eine Widerspruchslösung bei der Organspende, wie jetzt in den Niederlanden beschlossen, wird auch in Deutschland schon lange diskutiert.

(Foto: dpa)

Auch in den Niederlanden werden künftig über 18-Jährige automatisch als Organspender behandelt - im Gegensatz zu Deutschland. Dabei könnte die Regelung das Vertrauen in die Transplantationsmedizin stärken.

Kommentar von Astrid Viciano

Endlich haben sich die Niederländer getraut! Nicht länger hinnehmen wollten sie, dass Tag für Tag Menschen sterben, weil sie ein dringend benötigtes Organ nicht erhalten. Das wird sich nun ändern, zumindest ein wenig. Denn künftig werden in den Niederlanden alle Erwachsenen automatisch Organspender sein. Wenn sie der Prozedur nicht explizit widersprechen.

Ein guter Moment also, in Deutschland erneut über diese Widerspruchslösung zu diskutieren. Hier nämlich ist es bislang genau umgekehrt: Menschen müssen sich vor ihrem Tod aktiv für eine Organspende registrieren lassen. Damit wird Deutschland in Europa allmählich zum Sonderfall, die meisten anderen Länder haben längst den Weg der Widerspruchslösung eingeschlagen. Zum Sonderfall, mit traurigen Rekorden.

Manche fürchten, Ärzte würden dann nicht alles tun, um sie zu retten. Das ist Unsinn

Denn die Anzahl der Organspender ist in Deutschland seit Jahren rückläufig, im vergangenen Jahr waren es nur 9,3 Spender pro eine Million Einwohner. In Spanien dagegen sind es 46,9 Spender pro Million; ein Grund dafür ist die dort längst eingeführte Widerspruchslösung. Ein weiterer Grund ist, dass die Transplantationsbeauftragten dort hervorragend organisiert und geschult sind, auch für die Gespräche mit den Angehörigen.

Das Thema Organspende ist verständlicherweise mit Ängsten besetzt, allein schon die Frage, wann eine Organentnahme ethisch vertretbar ist, macht nicht nur Experten zu schaffen. Manche Menschen fürchten sogar, nach einem Unfall werde bei Organspende-Willigen vielleicht nicht alles getan, um ihr Leben zu retten. Das ist natürlich Unsinn. Auch bliebe jedem Einzelnen nach der Gesetzesänderung noch immer die Freiheit, über seinen Körper zu verfügen, im Zweifel also eine Organspende zu verweigern.

Nur ein sensibler, kompetenter Umgang mit diesen Sorgen kann helfen, diese auszuräumen. Das wäre ein wichtiger Schritt, um das Vertrauen in die Transplantationsmedizin zu stärken, das in Deutschland doch sehr gelitten hat. Es braucht dieses Vertrauen, um schwer kranken Menschen mit einem neuen Organ ein neues Leben zu ermöglichen.

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