Krankenhäuser:Überforderung in der Not

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Die Hilfenummer 116 117 soll Patienten mit leichten Symptomen von der Notaufnahme fernhalten. Ausgerechnet Notfallmediziner kritisieren das Projekt - zurecht.

Kommentar von Felix Hütten

Toller Service, wirklich: Zwei Elfen schweben vom Himmel der Notaufnahme herab und raten einer verschnupften, aber ansonsten wenig kranken Patientin, doch ins Telefon die Nummer 116 117 (zwei Elfen, höhö) zu tippen, statt im Wartebereich der Notaufnahme die Stühle und die Kapazitäten der Pfleger und Ärztinnen zu blockieren. Immerhin, ein Schnupfen gehört nicht in die Notaufnahme, so viel ist klar.

Mit diesem 15-Sekunden-Clip möchte die Kassenärztliche Bundesvereinigung die Bevölkerung auf die bislang wenig bekannte Möglichkeit aufmerksam machen, außerhalb der Sprechzeiten des Hausarztes per Telefon medizinischen Rat zu bekommen. Seit Jahren beklagen Krankenhäuser zu Recht, dass die Notaufnahme zur allgemeinen Sprechstunde verkommt, obwohl dort eher Herzinfarkte und Motorradunfälle behandelt werden sollten.

Menschen sind überfordert von all den Notärzten, Notdiensten und Notpraxen

Ausgerechnet die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin kritisiert aber nun diesen Vorstoß, obwohl die hier organisierten Mediziner besonders unter überfüllten Notaufnahmen leiden. Ihre durchaus berechtigte Kritik aber lautet, dass eine glitzernde Werbekampagne schön und gut sei, das Problem aber nicht an der Wurzel packt: Menschen sind überfordert von der Entscheidung, ob sie nun ein Notfall sind oder nicht.

Und sie sind überfordert von all den Notärzten, ärztlichen Notdiensten, Notaufnahmen oder Bereitschaftsdiensten der Kassenärzte. Wenn sie ein Problem verspüren, gehen sie zum Arzt. Und wenn der Arzt nicht da ist oder ihnen vermeintlich nicht helfen kann, dann gehen sie halt ins Krankenhaus oder rufen gleich die Feuerwehr. So einfach ist das.

Man kann das kritisieren, denn ja, es ist ärgerlich, wenn Menschen mit Schnupfen eine Universitätsklinik aufsuchen, die 24 Stunden am Tag in der Lage ist, halb tote Menschen zurück ins Leben zu verhelfen mit Hubschrauber, Schockraum und Hightech-OP. Andererseits hilft es nicht viel, darauf hinzuweisen, dass vielen Menschen ein grundsätzliches Verständnis des eigenen Körpers fehlt, dass nicht jeder Druck im Bauch sofort ein Tumor sein muss. Doch ändern wird diese Beobachtung nicht viel, auch die KBV-Elfen werden das übrigens nicht können.

Es gibt bessere Ideen, die zum Ziel führen, zum Beispiel ein sogenanntes INZ, ein Intersektorales Notfallzentrum. Das klingt zwar kompliziert, macht aber im Grunde nicht mehr, als Patienten dort zu sortieren, wo sie nun mal hinkommen, nämlich auch mal nachts um drei Uhr ins Krankenhaus. Wer schwer verletzt blutet, wird sofort operiert, wer sich den Fußnagel eingerissen hat, wartet auf einen Allgemeinarzt, der auch vor Ort sein sollte. Das hätte den Vorteil, dass niemand mehr Elfen braucht, die eh keiner kennt.

© SZ vom 14.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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:Hilfenummer 116 117: Entlastung für die Notaufnahme?

Menschen sind überfordert von der Entscheidung, ob sie ein medizinischer Notfall sind oder nicht. Die Hilfenummer 116 117 soll nun Patienten mit leichten Symptomen von der Notaufnahme fernhalten. Unser Autor hält das Projekt für wenig hilfreich.

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