In einem Neubau am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg arbeitet Harald zur Hausen, der am kommenden Mittwoch in Stockholm den Medizinnobelpreis entgegennehmen wird. 20Jahre lang war der Virologe Chef des DKFZ und damit so etwas wie Deutschlands oberster Krebsforscher.
Harald zur Hausen: "Es ist schon erstaunlich, dass ich fast wie ein anderer Mensch betrachtet werde."
(Foto: Foto: AP)Sein Interesse galt der Rolle von Viren in der Krebsentstehung. "Harald-zur-Hausen-Institut" soll das Gebäude künftig heißen, in dem der 72-Jährige heute noch ein Labor und ein Büro hat. Einen Tag vor seinem Abflug nach Stockholm erzählt er dort auch, was er beim Nobelbankett am 10. Dezember tragen will: einen 22 Jahre alten Frack.
SZ: Wenige Minuten nach der Verkündung des Nobelpreises am 6. Oktober sagten Sie, es werde sich nicht viel ändern in Ihrem Leben. Haben Sie Recht behalten?
zur Hausen: Nein. In den letzten Monaten habe ich mehr als 100 Interviews gegeben; jeden Tag erhalte ich drei Einladungen. Aber ich hoffe, dass ich bald wieder mein normales Leben leben kann.
SZ: Hat das Leben als Berühmtheit nicht auch Vorteile? Am Sonntag sind Sie aus Bangkok zurückgeflogen, während Hunderttausende dort festsaßen.
zur Hausen: Ich habe unter der Blockade in der Tat nicht zu leiden gehabt. Ich habe in Bangkok einen Vortrag an einem Forschungszentrum gehalten und war zum Abendessen in der Residenz einer der Prinzessinnen, die Krebsforscherin ist. Sie hat es organisiert, dass ich in der Maschine des Königs ausgeflogen wurde.
SZ: Was hat Sie am meisten an den Reaktionen Ihrer Mitmenschen überrascht?
zur Hausen: Es ist schon erstaunlich, dass ich fast wie ein anderer Mensch betrachtet werde. Ich werde zu allen möglichen Dingen befragt. Mitunter Absurdes, aber oft wollen die Menschen wissen, was man gegen Krebs tun kann.
SZ: Was kann man dagegen tun?
zur Hausen: Das, was die meisten Menschen nicht gerne hören: Krebs lässt sich am wirksamsten vorbeugen, indem man seine Lebensweise ändert - Übergewicht vermeiden, übermäßigen Alkoholkonsum und UV-Strahlung. Besonders wichtig ist es, nicht zu rauchen. Damit habe ich persönlich in den 70er-Jahren abrupt aufgehört, als die Risiken bekannt wurden.
SZ: Sie haben offenbar ein weiteres Risiko entdeckt: Rindfleisch.
zur Hausen: Daten zeigen, dass der Verzehr von rotem Fleisch ein erhöhtes Darmkrebsrisiko mit sich bringt. Das kann damit zu tun haben, dass Fleisch heute vielfach halbroh verzehrt wird - als Carpaccio zum Beispiel oder medium gebraten.
SZ: Hat das Krebsrisiko nicht eher mit dem Braten selbst zu tun?
zur Hausen: Das ist nicht auszuschließen. Aber dann sollten andere Fleischsorten genauso krebserregend sein. Rindfleisch kann meiner Ansicht nach mit Viren verunreinigt sein, die Krebs auslösen könnten. Das ist allerdings bisher nur eine Arbeitshypothese.
SZ: Wie ernst nehmen Sie persönlich diese Gefahr?
zur Hausen: Auch wenn sich die Fleischindustrie bei mir schon beschwert hat: Ich meide rohes Rindfleisch. Aber ein nicht durchgebratenes Steak lasse ich im Restaurant trotzdem nicht zurückgehen.
SZ: Sie haben schon einmal mit einer Außenseitermeinung Recht behalten: Ihr großes Verdienst ist es, Gebärmutterhalskrebs auf eine Infektion mit Papillomviren (HPV) zurückgeführt zu haben. In einem Punkt aber haben Sie geirrt: Sie waren früher sogar der Ansicht, jede Krebserkrankung sei Folge einer Virusinfektion.
zur Hausen: Ich habe es als Hypothese erwogen. Vermutlich wird die Rolle von Erregern bei der Krebsentstehung noch stets unterschätzt. Etwa 21 Prozent aller Krebse sind infektiösen Ursprungs. Nachgewiesen ist dies bei Karzinomen im Mund- und Rachenbereich, bei manchen Formen von Leber-, Magen-, Haut- und Blasenkrebs und bei einer Leukämie. Helicobacter pylori spielt dabei eine Rolle, Hepatitis-Viren und manche Parasiten.
SZ: Wenn Krebs durch Viren ausgelöst wird, hat das einen Vorteil: Man kann versuchen, Impfstoffe zu entwickeln. Aus Ihrer Forschung sind Impfstoffe entstanden, die gegen zwei krebsauslösende Typen von HPV wirken und wahrscheinlich Gebärmutterhalskrebs hemmen. Sind Sie zufrieden mit der Entwicklung?
zur Hausen: Ich bin froh, dass die HPV-Impfung existiert und bei noch nicht infizierten Frauen eine hohe Wirksamkeit hat. Gebärmutterhalskrebs ist vor allem in Entwicklungsländern ein großes Problem.
In Deutschland wird dagegen zu viel davon geredet, dass die Impfung den Krebs verhindern soll. Hier werden häufig die Vorstufen des Krebses rechtzeitig erkannt und operiert. Doch diese Operationen sind oft mit Komplikationen verbunden, mit Blutungen zum Beispiel. Die Impfung kann im Gegensatz zur Früherkennung helfen, die Vorstufen zu verhindern.