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Studie zur Nikotinsucht:Rauchen kostet die Gesellschaft doppelt so viel wie gedacht

Raucher, aber auch Ex-Raucher belasten die Volkswirtschaft stärker als Nichtraucher. Wie viel die Nikotinsucht kostet, haben Münchner Forscher nun mit einem neuen Ansatz berechnet. Und sind zu einem erstaunlich hohen Ergebnis gelangt.

Krebs, Atemwegserkrankungen, Herz-Kreislauf-Leiden: Wer täglich den Zigaretten frönt, erhöht seine Wahrscheinlichkeit, chronisch krank zu werden erheblich - und belastet damit auch die Volkswirtschaft. Nach einer neuen Studie des Helmholtz-Zentrums München liegt der Preis der Nikotinsucht in Deutschland fast zweimal so hoch wie bislang angenommen.

So kostete im Jahr 2008 jeder Raucher die Gemeinschaft etwa 700 Euro mehr als ein Nichtraucher. Einberechnet wurden medizinische Kosten wie Arztbesuche und Klinikaufenthalte, aber auch Fehltage bei der Arbeit. Dabei zeigte sich, dass Raucher zwar seltener zum Arzt gingen, wenn sie aber erkrankten, dann brauchten sie teurere Behandlungen.

Noch höher lagen die Kosten, die Ex-Raucher verursachten. Sie betrugen pro Kopf 1100 Euro mehr als die von Nichtrauchern. Das hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass viele Menschen genau dann von den Zigaretten lassen, wenn sich Gesundheitsprobleme abzeichen, vermuten die Forscher. So waren die Gesundheitskosten bei jenen Ex-Rauchern am höchsten, die maximal ein Jahr zuvor aufgehört hatten.

Hochgerechnet auf Deutschland summierten sich die Kosten des Rauchens im Jahr 2008 auf 31,3 Milliarden Euro.

Auch Studien aus anderen Ländern ergeben, dass Raucher das Gesundheitssystem stärker belasten als Nichtraucher. Das gilt Erhebungen aus den USA und Dänemark zufolge auch dann, wenn man einberechnet, dass Raucher im Schnitt früher sterben. In der aktuellen Münchner Studie wurde der Verlust an Lebenszeit nicht berücksichtigt.

In Deutschland greifen der Studie zufolge etwa 30 Prozent aller Erwachsenen regelmäßig zur Zigarette. 26 Prozent sind Ex-Raucher, während 44 Prozent nie gequalmt haben. In den vergangenen Jahren ging die Zahl der Raucher allerdings zurück.

Wie erklärt sich aber, dass die aktuelle Schätzung zu deutlich höheren Kosten kommt als vorangegange Berechnungen?

Bislang setzten deutsche Wissenschaftler die bekannten Risiken für Gesundheitsschäden durch Nikotin mit der Zahl der Raucher ins Verhältnis und rechneten diese auf einzelne Personen um. Die Münchner Forscher gingen nun erstmals den umgekehrten Weg. Sie werteten die Daten von mehr als 3000 Menschen aus der Region Augsburg aus und rechneten sie auf die gesamte Bevölkerung hoch. Nach Überzeugung der Forscher ermöglicht dieser individualisierte Ansatz genauere Erkenntnisse, da auch weniger beachtete Folgen des Rauchens einbezogen, andererseits aber weitere Einflussgrößen wie der Alkoholkonsum herausgefiltert werden.

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