Nikotinentzug:Dicker ohne Zigaretten

Wer das Rauchen aufgibt, muss damit rechnen, zuzunehmen - der Effekt ist offenbar noch stärker als bislang angenommen. Doch es trifft nicht jeden. Und leichtes Übergewicht ist immer noch gesünder als Tabakkonsum.

Christian Weber

Es ist ein gemeines Dilemma, in dem sich die Nikotinsüchtigen befinden. Natürlich wollen sie so bald wie möglich mit dem Rauchen aufhören, doch viele von ihnen, insbesondere die Frauen, fürchten eine dadurch bedingte Gewichtszunahme. Leider nicht ganz zu Unrecht, wie jetzt Forscher um den Sucht-Psychiater Henri-Jean Aubin von der Université Paris-Sud im Fachmagazin British Medical Journal (BMJ, online) berichten.

Ihre Metaanalyse von 62 klinischen Studien ergab, dass erfolgreiche Nikotinaussteiger in den ersten zwölf Monaten nach der letzten Zigarette im Durchschnitt sogar 4,5 Kilogramm zunehmen, deutlich mehr als die 2,9 Kilogramm, die bislang in der Literatur als Referenzwert galten. Erstaunlich waren auch die massiven individuellen Unterschiede: Während 13 Prozent der Studienteilnehmer sogar zehn Kilogramm und mehr zunahmen, gab es auch eine Gruppe von 16 Prozent, die am Ende des Untersuchungszeitraums Gewicht verloren hatte.

Offensichtlich können Menschen sehr verschieden mit dem wachsenden Appetit umgehen, der meist die Folge des Nikotinentzugs ist. "Die Daten legen nahe, dass Ärzte ihren Patienten auf eine große Spannbreite bei der zu erwartenden Gewichtszunahme vorbereiten sollten", folgern die Studienautoren.

Wichtig sei jedoch vor allem, warnen Esteve Fernández von der Universitat de Barcelona und Simon Chapman von der University of Sydney in einem begleitenden Kommentar im BMJ, die neue Studie nicht zum Vorwand zu nehmen, den Ausstieg aus der Sucht zu verschieben.

So beruhten die neuen Werte allein auf Daten von Patienten, die für den Entzug von der Zigarette ärztlichen Beistand gesucht haben. Diese seien also Menschen, die vermutlich über weniger Selbstkontrolle als der Durchschnitt verfügten, was sich wohl auch beim Umgang mit Essen und Sport auswirken könnte. "Deshalb lassen sich die Ergebnisse womöglich nicht auf die zwei Drittel bis drei Viertel aller Ex-Raucher übertragen, die ohne professionelle Hilfe mit dem Rauchen aufgehört haben." Außerdem hätten andere Kohorten-Studien gezeigt, dass sich langfristig, also nach mehreren Jahren, die Gewichtsentwicklung der Ex-Raucher wieder normalisieren würde.

Abgesehen davon müsse man sich immer wieder klarmachen, schreiben Fernández und Chapman, dass nur starkes Übergewicht krank mache und das Mortalitätsrisiko erhöhe. Dies gelte jedoch nicht für ein paar Kilogramm Übergewicht. Hingegen gebe es keinerlei gesunden Konsum von Zigaretten.

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