Medizin:Dauerfieber im Kopf

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Heißer als der Rest des Körpers: das menschliche Gehirn. (Foto: imago/Science Photo Library)

Die Temperatur des Gehirns liegt anders als gedacht bei rund 38 Grad, teils sogar deutlich höher, berichten Forscher. Problematisch scheint es aber erst zu werden, wenn die normalen Schwankungen ausbleiben.

Die normale menschliche Hirntemperatur ist nicht nur viel höher als die Körpertemperatur. Sie schwankt auch im Laufe des Tages, und das abhängig von der Hirnregion, vom Geschlecht und vom Alter. Das berichten britische Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen im Fachblatt Brain. Für die Untersuchung wurden 40 Freiwillige im Alter zwischen 20 und 40 Jahren rekrutiert. Das Team um Nina Rzechorzek vom MRC Laboratory of Molecular Biology in Cambridge, Großbritannien, nutzte ein Verfahren namens Magnetresonanzspektroskopie (MRS), um die Temperatur verschiedener Hirnregionen der Probanden zu mehreren Zeitpunkten im Laufe eines Tages zu erfassen. Gleichzeitig wurde ihre Körpertemperatur unter der Zunge gemessen.

Die Körpertemperatur lag in der Regel unter 37 Grad Celsius, die mittels MRS ermittelte durchschnittliche Hirntemperatur hingegen bei 38,5 Grad Celsius. In tieferen Hirnregionen, insbesondere im Thalamus, wurden über 40 Grad Celsius gemessen. Der höchste Wert lag bei 40,9 Grad Celsius. "Solch hohe Temperaturen wurden in der Vergangenheit bei Menschen mit Hirnverletzungen gemessen, aber es wurde angenommen, dass sie von der Verletzung herrühren", kommentiert Studienautor und Biologe John O'Neill.

Über alle Teilnehmer hinweg schwankte die Hirntemperatur im Tagesverlauf um knapp ein Grad Celsius, wobei am Nachmittag die höchsten und in der Nacht die niedrigsten Temperaturen gemessen wurden. Die Gehirne von Frauen waren im Schnitt knapp 0,4 Grad Celsius wärmer als die von Männern. Vermutlich sind diese Unterschiede auf den Menstruationszyklus zurückzuführen, da die meisten Frauen in der Phase nach dem Eisprung untersucht wurden und ihre Hirntemperatur um etwa 0,4 Grad Celsius höher war als bei den Frauen, die sich in der Phase vor dem Eisprung befanden.

Nach Kopfverletzungen war der Temperaturrhythmus oft gestört

Die Studie ergab außerdem, dass die Hirntemperatur mit dem Alter der Teilnehmer anstieg, vor allem in den tiefen Hirnregionen. Dort betrug der durchschnittliche Anstieg über die Spannbreite von 20 Jahren unter den Teilnehmern 0,6 Grad Celsius. Dies deute darauf hin, dass die Fähigkeit des Hirns zur Abkühlung mit dem Alter nachlasse und mit der Entwicklung altersbedingter Hirnleistungsstörungen in Zusammenhang stehen könnte, so die Autoren.

Im zweiten Teil der Studie analysierten die Wissenschaftler Temperaturdaten von 114 Patienten, die ein mittelschweres bis schweres Schädel-Hirn-Trauma erlitten hatten. Nur bei einem Viertel von ihnen unterlag die Gehirntemperatur einem täglichen Rhythmus. Abweichungen im Muster der täglichen Temperaturschwankungen korrelierten demnach mit dem Sterberisiko der Patienten. So starben vier Prozent der Patienten mit einem natürlichen Rhythmus im Vergleich zu 27 Prozent aus der Gruppe, deren Temperaturrhythmus gestört war.

Die Wissenschaftler betonen, dass noch weitere größere Studien nötig seien, um den beobachteten Zusammenhang zu bestätigen, der darüber hinaus eben nur korrelativ sei: Es könne also nicht davon ausgegangen werden, dass ein täglicher Hirntemperaturrhythmus die Überlebensrate direkt erhöhe. Dennoch könnte die Messung der Hirntemperatur rund um die Uhr bei entsprechenden Patienten von großem klinischen Wert sein, so Rzechorzek.

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