Neues Transplantationsrecht:Gutes Gesetz zu einem verrufenen Thema

Das neue Transplantationsgesetz ist ein gutes Gesetz, das unter schlechtesten Bedingungen startet: Durch die mutmaßlichen Betrugsfälle in verschiedenen Krankenhäusern wurde das Vertrauen in das System der Organspende dramatisch beschädigt. Dabei ist aus dem Blick geraten, worum es in der Transplantationsmedizin wirklich geht.

Charlotte Frank

Organspende: Transplantationsgesetz

Mit dem neuen Transplantationsgesetz sollen mehr Menschen dazu gebracht werden, ihre Organe zu spenden.

(Foto: dpa)

Es war ein klarer Donnerstag im Februar, als Sylke H. auf dem Weg zum Kindergarten von einem Rettungswagen überholt wurde. Sie wollte ihre Tochter aus dem Hort abholen, aber als sie ankam, parkte davor schon der Notarzt. Es hatte einen Unfall gegeben, draußen auf dem Spielplatz. Ihr Kind war nicht mehr zu retten. Nur noch seine Organe.

Sylke H. hat diese Geschichte vor einem Jahr der Zeitung erzählt, am Ende zog sie diese Briefe hervor: Seiten voll krakeliger Kinderschrift, die von der Rückkehr nach Hause sprachen, vom Garten, von Erdbeeren, von einem geschenkten Leben. Sylke H. und ihr Mann hatten dieses Leben ermöglicht - weil sie die Frage nach einer Organspende ihrer Tochter mit Ja beantwortet hatten.

So wünscht es natürlich jeder: Dass mit seinen Organen Leben geschenkt wird. Seit dem Sommer aber mussten die Deutschen eher den Eindruck gewinnen, dass mit ihren Organen getrickst, geschummelt, gehandelt wird. Dass am Ende kein Kind wieder Erdbeeren isst, sondern ein betuchter Trinker ein paar Monate weitersäuft. Das ist ein entsetzlicher Eindruck, der die Arbeit von Jahren zerstört. Würden Menschen wie Sylke H. unter diesem Eindruck noch einmal Ja sagen? Eher nein.

Das neue Transplantationsgesetz, das diese Woche in Kraft getreten ist, ist ein gutes Gesetz - das unter schlechtesten Bedingungen startet: Durch die mutmaßlichen Betrugsfälle in Göttingen, Regensburg, München wurde das Vertrauen in das System der Organspende dramatisch beschädigt. Das Wesentliche ist aus dem Blick geraten. Das, worum es in der Transplantationsmedizin wirklich geht: um die Möglichkeit, Leben zu retten.

Eigentlich fördert das neue Gesetz genau dies. Es soll Menschen darin bestärken, sich regelmäßig über Organspende zu informieren - und daraufhin zu entscheiden, was nach dem Tod mit ihren Organen geschehen soll. Das Problem ist nur: Viele Menschen haben das Gefühl, dass es egal ist, was sie selbst entscheiden - weil an ihrem Totenbett Ärzte mit Allmachtsphantasien stehen, die eh nach eigenem Gusto und Auftragsheft entscheiden.

Das ist natürlich Quatsch. Das verallgemeinert Einzelfälle, deren Verantwortliche unermesslichen Schaden angerichtet haben: Im Oktober, hat die Deutsche Stiftung Organtransplantation gerade erklärt, ist die Zahl der Spenden auf einem historischen Tiefstand angekommen.

Es ist tragisch, dass diese Einzelfälle sich zutragen konnten, es ist nun viel aufzuräumen. Aber es wird viel zu wenig aufgeräumt. Vergangene Woche erst hat Bayerns FDP-Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch nach neuen Verdachtsfällen in München gerade mal dazu "geraten", die Lebertransplantationen dort vorerst ruhen zu lassen. So stellt man kein Vertrauen wieder her.

Es wird viel Zeit brauchen, bis die Schäden repariert sind. Diese Zeit können die Länder nutzen, wenn es ihnen ernst ist mit der Steigerung des Spenderaufkommens. So gilt es etwa, endlich nicht mehr nur auf dem Papier Transplantationsbeauftragte zu fordern - sondern diese auch in den Kliniken einzusetzen und so weit von anderen Aufgaben freizustellen, dass sie ihren Auftrag auch ausfüllen können.

Sylke H. war schon fast auf dem Gang, als ihr die Ärzte hinterherriefen, ob sie einer Organspende zustimmen würde. Trotzdem hat sie Ja gesagt. In ihrem Fall, erklärte sie später, beruhte die Entscheidung auf dem Wesen ihrer Tochter, die immer helfen wollte - und auf einem tiefen Glauben an die Nächstenliebe. Mehr als ein Organ kann ein Mensch einem anderen nicht geben. Die Wahrscheinlichkeit aber, dass er das einmal tun muss, ist gering. Sie ist um ein Vielfaches geringer als die Wahrscheinlichkeit, einmal selbst eins zu benötigen.

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