Neues Coronavirus:Sonderling oder Supererreger

14 Menschen haben sich bislang mit dem neuen Coronavirus infiziert. Acht hat der Verwandte des Sars-Erregers getötet. Langsam gewinnen Forscher Erkenntnisse, die die brennendsten Fragen beantworten sollen: Wie ansteckend ist das Virus? Hat es das Zeug zur Pandemie?

Von Katrin Blawat

Neun Tage hatte der Mann in einem Krankenhaus in Saudi-Arabien gelegen, dann konnte sein Körper dem Virus nichts mehr entgegensetzen. Mitte Februar ist der 69-Jährige nach einer Infektion mit dem neuen Coronavirus gestorben, teilt die Weltgesundheitsorganisation nun mit. Somit sind bislang 14 Fälle bekannt, in denen das neue Coronavirus eine medizinische Behandlung nötig gemacht hat. Acht der Patienten sind gestorben. Die meisten Fälle gab es im Nahen Osten: Saudi-Arabien, Jordanien und Katar haben bislang zehn Infizierte gemeldet. Vier Menschen erkrankten in Großbritannien oder wurden dort behandelt.

Was ist das für ein Virus, das zwar nicht reihenweise tötet, offensichtlich aber auch nicht harmlos für seine Opfer ist? In allen Details können Forscher das zwar noch nicht beantworten. Doch immerhin identifizieren sie immer mehr Eigenarten des Erregers, wie auch zahlreiche Beiträge während der derzeitigen Jahrestagung der Gesellschaft für Virologie in Kiel zeigen.

So ist inzwischen klar, wie leicht es dem neuen Erreger fällt, in Zellen der verschiedensten Säugetiere einzudringen. Diese für Coronaviren ungewöhnliche Eigenschaft hat eine Gruppe um Christian Drosten von der Universität Bonn beschrieben. Der neue Erreger stammt ursprünglich aus Fledermäusen. Fällt es dem Erreger leicht, zwischen verschiedenen Spezies hin und her zu springen, könnte das zum Beispiel bedeuten, dass der Erreger mehrmals vom Tier zum Menschen gekommen ist.

Zusammen mit dem Rotterdamer Virologen Ron Fouchier hat Drostens Team auch einen wichtigen Unterschied zwischen dem neuen Coronavirus und einem seiner Verwandten gezeigt, dem Sars-Erreger: Beide Viren dringen auf verschiedene Weise in die Zellen ihrer Opfers ein. Das neue Coronavirus nutzt einen Türöffner, Virologen sagen Rezeptor dazu, der sich überwiegend in der Lunge befindet, seltener aber auch in den oberen Atemwegen vorkommt, wie die Fachzeitschrift Nature kommende Woche berichten wird.

Auf welche Weise sich ein Virus Eintritt in Zellen verschafft, hat große Bedeutung für das Ansteckungsrisiko. Befindet sich der Türöffner vor allem tief unten im Lungengewebe, überträgt sich der Erreger vermutlich - wenn überhaupt - nur bei engem Kontakt zwischen Menschen. So erklären sich Forscher auch, warum sich das Sars-Virus, das vor zehn Jahren rund 8000 Menschen infizierte und etwa jeden zehnten von ihnen tötete, nicht noch weiter ausgebreitet hat. Der Sars-Erreger nutzt zwar einen anderen Türöffner, dieser befindet sich aber ebenfalls tief im Lungengewebe.

Zu den im Labor gewonnenen Erkenntnissen über das neue Coronavirus passen auch Berichte aus Großbritannien. Ihnen zufolge hatte sich einer der Patienten wohl bei seinem ebenfalls infizierten Vater angesteckt. Demnach kann das neue Virus also von Mensch zu Mensch springen - benötigt dazu aber offenbar engen Kontakt zwischen seinen Opfern, wie er vor allem unter Familienmitgliedern statt findet.

Wie es mit dem neuen Coronavirus weiter geht, lässt sich derzeit kaum abschätzen. Der Bonner Forscher Drosten klingt jedoch nicht allzu optimistisch: "Vielleicht nimmt es gerade Anlauf, zu einem Pandemie-Erreger zu werden."

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