Vor fünf Jahren hatte der Pflegebericht Politik und Gesellschaft alarmiert. Besonders erschreckend: Jeder dritte Pflegebedürftige war nicht richtig ernährt oder mit Flüssigkeit versorgt. Was hat sich geändert?
Einiges, machen der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) und der ihm angegliederte Medizinische Dienst (MDS) geltend, die am Dienstag den neuen Pflege-Qualitätsbericht vorstellten. Der Ernährungszustand war demnach bei 95 Prozent der Pflegeheimbewohner angemessen. Fast 80 Prozent derer, die Hilfe beim Essen und Trinken brauchen, bekamen die nötige Unterstützung.
Zum Vergleich: 2007 hatten sich Pflegekräfte nur in 64 Prozent der Fälle die Mühe gemacht, den Betroffenen spezielle Nahrung anzubieten oder ihnen beim Essen und Trinken zu helfen.
Eine leichte Verbesserung gibt es auch in der Versorgung von Demenzpatienten. Etwa 76 Prozent der Heimbewohner, die in ihrer Alltagskompetenz eingeschränkt sind, erhielten spezielle Förderangebote. Fünf Jahre zuvor waren es nur 67 Prozent gewesen. Dennoch wird nur bei rund 40 Prozent der Demenzkranken überhaupt erfasst, ob sie sich in ihrem Heimalltag wohlfühlen. Dies aber ist eine wichtige Voraussetzung, die Maßnahmen nach den individuellen Bedürfnissen ausrichten zu können.
Viele Gefahren sind geblieben
Und längst nicht alles hat sich in den vergangenen fünf Jahren verbessert. Noch immer sind knapp die Hälfte aller Heimbewohner der Gefahr ausgesetzt, ein Druckgeschwür zu entwickeln. Der gefürchtete Dekubitus entsteht durch eine Minderdurchblutung des Gewebes bei Menschen, die viel liegen oder unbeweglich im Rollstuhl sitzen. Vorbeugen können regelmäßige Umlagerung und der Einsatz spezieller Hilfsmittel, die den Druck vom Gewebe nehmen. Doch nur knapp 60 Prozent all derer, die die Prophylaxe eigentlich bräuchten, erhalten sie auch. Im Vergleich zum letzten Bericht ist keine Verbesserung eingetreten, schreiben die Prüfer.
Ebenfalls keine Verbesserung gab es im Umgang mit Medikamenten. Noch immer erhalten 18 Prozent der Heimbewohner falsche Medikamente oder eine falsche Dosierung - oder die nötige Hilfe bei der Einnahme fehlt.
Schon im Vorfeld des Berichtes hatte die Deutsche Hospizstiftung den Heimen grobe Missstände vorgeworfen. Der Vorstand der Patientenschutzorganisation, Eugen Brysch, geht davon aus, dass 42 Prozent der Menschen in Pflegeheimen sogenannten "freiheitsentziehenden Maßnahmen" ausgesetzt sind. Dazu gehören Gurte, gegen den Willen der Betroffene hochgezogene Bettgitter oder Psychopharmaka, die allein zu dem Zweck verabreicht werden, den Bewegungsdrang der Heimbewohner zu bremsen.
Die Krankenkassen wiesen diesen Vorwurf zurück: Bei 20 Prozent der Heimbewohner würden freiheitsentziehende Maßnahmen angewandt, bei jedem zehnten von ihnen fehlte die erforderliche Genehmigung.
Daten aus 2009 und 2010
Nach einem vor kurzem erschienenen Bericht des Deutschen Ärzteblattes haben sich diese Genehmigungen innerhalb eines knappen Jahrzehntes fast verdoppelt. Im Jahr 2000 wurden 52.000 Genehmigungen, im Jahr 2009 bereits 97.000 ausgesprochen. Angaben darüber, wie häufig auch ungenehmigter Freiheitsentzug vorkommt, schwanken stark: Verschiedenen Erhebungen zufolge werden fünf bis 70 Prozent aller Heimbewohner Opfer dieser Maßnahmen.
Bezogen auf die ambulanten Pflegedienste offenbarte der Bericht vor allem Mängel bei der Beratung. Nur 40 Prozent der Demenzkranken und ihre Angehörigen wurden von Pflegediensten über die Krankheit und pflegerische Hilfe aufgeklärt. Bei Inkontinenz waren es 42 Prozent, bei der Flüssigkeitsversorgung 50 Prozent, ebenso bei Ernährung und Sturzvorbeugung. Über die Gefahren der Druckgeschwüre erfuhren nur 40 Prozent der Angehörigen etwas vom Pflegedienst.
Die jetzt ausgewerteten Daten stammen aus den Jahren 2009 und 2010. Rund 8100 Heime und 7800 ambulante Pflegedienste wurden untersucht. Das entspricht 79 Prozent der Heime und 60 Prozent der Pflegedienste.