Süddeutsche Zeitung

Medizinethik:Genmanipulation am Menschen soll geächtet werden

  • Internationale Spitzenforscher fordern ein Moratorium für die gezielte, vererbbare Manipulation des menschlichen Erbguts.
  • Anlass ist die Geburt genmanipulierter Zwillinge in China, die im vergangenen November bekannt wurde.
  • In der Fachwelt wird jedoch über Sinn und Notwendigkeit eines solchen Banns gestritten.

Von Kathrin Zinkant

Vier Monate, nachdem ein chinesischer Wissenschaftler die Geburt zweier gezielt genetisch veränderter Mädchen verkündet hat, fordert eine Reihe von renommierten Gentechnik-Forschern einen vorläufigen internationalen Bann solcher ethisch zweifelhafter Eingriffe.

Die Gruppe um Emmanuelle Charpentier vom Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin, den amerikanischen Nobelpreisträger Paul Berg und Eric Lander vom Broad Institute in Cambridge, Massachusetts, schreibt in einem Meinungsbeitrag für das Wissenschaftsmagazin Nature, es solle auf globaler Ebene eine "feste Zeitspanne geben, in der keine klinischen Anwendungen der Keimbahn-Editierung in irgendeiner Form erlaubt sind". Zugleich stellen die Autoren klar, dass der Bann nicht auf ewig und auch nicht für die Grundlagenforschung gelten solle. Im Anschluss an die festgelegte Phase des Moratoriums könnten "Nationen für sich entscheiden, welchem Weg sie folgen wollen".

Dem Biophysiker He Jiankui droht in China der Prozess

Der Aufruf ist eine Reaktion auf die Ereignisse des vergangenen Novembers. Der chinesische Biophysiker He Jiankui hatte im Vorfeld einer internationalen Ethikkonferenz zum Genome Editing in Hongkong angekündigt, er habe die zwei Neugeborenen Nana und Lulu durch einen Eingriff in ihr Erbgut immun gegen den Aidserreger HIV gemacht. Die Mädchen sind damit die ersten genetisch manipulierten Menschen.

Verwendet hatte He nach eigener Aussage die relativ junge Crispr-Technologie, die es erlaubt, in Pflanzen, Tieren und Menschen sehr gezielte Veränderungen der Erbsubstanz vorzunehmen. Nach der Ankündigung war öffentlich geworden, dass mehrere internationale Kollegen in Hes Pläne eingeweiht gewesen waren. Sie wollen versucht haben, den Chinesen von seiner Idee abzubringen, gingen damit jedoch nicht an die Öffentlichkeit.

Der Menschenversuch wurde seither vielfach international geächtet und als ethisch untragbar bezeichnet. He selbst sieht sich auch in seiner Heimat inzwischen schweren Vorwürfen ausgesetzt. Eine offizielle Untersuchung hat sowohl die Geburt der Mädchen bestätigt, als auch einen Gesetzesverstoß festgestellt. Der Biophysiker wird beschuldigt, die staatliche Kontrolle unterlaufen zu haben, ihm droht nun ein Prozess. Zugleich ist in der internationalen Wissenschaftlergemeinde eine Debatte darüber entbrannt, wie solche Alleingänge in Zukunft verhindert werden können.

Schon 2015 wurde ein freiwilliges Moratorium vorgeschlagen

Ein freiwilliges, internationales Moratorium war bereits 2015 auf einer Konferenz in Washington gefordert worden, nachdem das Potenzial der Crispr-Technologie für derartige Eingriffe offensichtlich wurde. Zudem galt bereits damals als sicher, dass chinesische Wissenschaftler schon mit Crispr an menschlichen Embryonen forschten - allerdings nicht, um genveränderte Babys auf die Welt zu bringen, sondern für den Erkenntnisgewinn. Solche Forschung findet - unter strengen Auflagen - inzwischen auch in Großbritannien und anderen westlichen Industrienationen statt. In Washington hatte man sich zumindest darauf geeinigt, veränderte Embryonen vorerst auf keinen Fall austragen zu lassen.

So einig sich jedoch die Autoren des Nature-Beitrags nun darin sind, ein Moratorium zu bekräftigen und zu konkretisieren, so heftig wird in der Wissenschaftlergemeinde über den Sinn und die Wirkung eines solchen Vorstoßes diskutiert. "Lassen Sie uns nicht vergessen, dass He viele Regeln gebrochen hat und sich dessen bewusst war", sagt die Reproduktionsmedizinerin Helen O'Neill vom University College in London und verweist auf die Gesetze in China. "Es ist nicht passiert, weil es erlaubt gewesen wäre."

"Ein Moratorium wird Schurken in der Forschung nicht stoppen", sagte auch einer der Beitragsautoren Eric Lander dem Nachrichtenportal Statnews. Die Angst vor einer weiteren Nana oder Lulu sei jedoch nicht entscheidend. "Solche Einzeltaten verändern nicht die Welt. Die entscheidende Frage ist, ob ein ganzes Land sich dafür ausspricht, Menschen genetisch zu verändern."

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