Süddeutsche Zeitung

Milbenallergie:Die Matratze lebt

Mit Schweiß und Hautschuppen mästet der Mensch die Milben in seinem Bett. Die Spinnentierchen danken es ihm durch ergiebige Ausscheidungen in Matratzen und Kissen. Wer Pech hat, kann dieses Wissen nicht verdrängen, denn er reagiert allergisch auf die Hinterlassenschaften der Tiere. Was dann?

Von Katrin Neubauer

Das Erwachen - ein Albtraum. Die Nase läuft, die Augen jucken und tränen, das Atmen fällt schwer. Schlimmer ist nur die Erkenntnis, was hinter diesen Beschwerden steckt: Hausstaubmilben, genauer gesagt deren Kot, von dem es in einem Bett nur so wimmeln kann.

Eine Hausstaubmilbe produziert etwa 20 Kotkügelchen am Tag. Im Laufe ihres zwei- bis viermonatigen Lebens summiert sich das auf über das 200-fache ihres Körpergewichts. Ein Gramm Staub enthält rund 1000 Milben und 250.000 solcher Kügelchen. "Etwa 10 bis 15 Prozent der Bevölkerung reagieren allergisch auf diesen Kot", sagt Bettina Hauswald, Hals-Nasen-Ohrenärztin und Allergologin am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus in Dresden.

Die 0,1 bis 0,5 Millimeter großen Spinnentiere zieht es besonders in die Matratzen, denn sie lieben Wärme und Feuchtigkeit. Daran fehlt es nicht in menschlichen Betten, denn jeder Schläfer sondert pro Nacht etwa einen Liter Schweiß ab. Obendrein liefert er den Milben noch Nahrung in Form von Hautschuppen. So sorgt er für ideale Lebensbedingungen der Tierchen in den Betten.

Aber auch Polstermöbel, Kuscheltiere, verstaubte Bücher und Teppiche beherbergen die Krabbler zu Zehntausenden. Die Beschwerden treten das ganze Jahr über auf, besonders schlimm werden sie jedoch in der kühlen Jahreszeit. "Von Mai bis Oktober ist die Hauptfortpflanzungszeit. Vor den Wintermonaten hat sich demzufolge die größte Menge an Kot angesammelt, die dann durchs Heizen in die Luft gewirbelt wird", sagt Hauswald.

Laufende Nase, tränende Augen, Husten, Atembeschwerden, mitunter auch Hautausschläge oder -jucken sind die Folge. Bei starker Ausprägung können auch die tieferen Atemwege betroffen sein. Symptome können in diesem Fall nach körperlicher Anstrengung, zum Beispiel beim Sport oder Treppensteigen auftreten.

Komplett beseitigen kann man die Milben nie, aber man kann ihre Zahl durch einige Maßnahmen reduzieren.

  • "Bettdecken und Kissen sollten von Mai bis August so oft wie möglich morgens aus dem Fenster oder über den Balkon gehängt werden, so wie es früher unsere Großmütter gemacht haben", rät Hauswald.
  • Milbendichte Bettlaken, sogenannte Encasings, verhindern, dass Hautschuppen auf die Matraze durchsickern und schneiden die Milben so von ihrer Nahrungsquelle ab. Allergiker sollten Bett- und Kissenbezüge außerdem alle 14 Tage bei 60 oder 90 Grad waschen.
  • Außerdem: Lüften, Lüften, Lüften. Das heißt: Fenster und Türen auf, so dass in den Räumen Durchzug herrscht. "Wenn Wärme und Feuchtigkeit entzogen werden, geht die Milbe kaputt." Gerade in der Hauptvermehrungszeit kann man so die Nachkommenschaft wirksam reduzieren.
  • Dass sich Flokati-Bettvorleger in einer Allergikerwohnung verbieten, ist klar. Aber auch normale Teppiche bergen eine Unmenge an Staub. Glatte Fußböden sind Hauswald zufolge besser. Die Böden sollten mindestens alle zwei Tage feucht gewischt werden. Der Deutsche Allergie- und Asthmabund (DAAB) hält kurzfasrige Teppiche auch für Allergiker geeignet. Beim Staubsaugen sollte ein Feinstaubfilter benutzt werden.
  • Plüschtiere sollten für 24 Stunden in den Gefrierschrank. Noch besser sei aber, sie regelmäßig bei 60 Grad zu waschen, empfiehlt der DAAB. Die Kälte tötet zwar die Milben, der Kot bleibe aber hängen. Auf langhaarige Kuscheltiere besser ganz verzichten.
  • Staubfänger sollten in einer Allergikerwohnung regelmäßig gesäubert werden. Um den Putzaufwand erträglich zu machen, sind Bücher und anderer Nippes in verschließbaren Schränken besser aufgehoben als in offenen Regalen.

"Werden all diese Maßnahmen konsequent durchgezogen, kriegen 40 Prozent der Hausstaubmilbenallergiker den allergischen Schnupfen auch ohne Behandlung los", sagt Hauswald. Ein Arztbesuch ist dennoch für alle sinnvoll, die den Verdacht auf eine Allergie haben.

Routinemäßig wird der Mediziner zuerst einen Prick-Test vornehmen. Dabei wird das Allergen auf die Haut getropft und dann "eingeprickt". Reagiert der Patient darauf mit einem leichten Ausschlag, ist dies ein Hinweis auf eine Allergie.

Möglich sind auch Haut- oder Bluttests. Dabei wird nach so genannten IgE-Antikörpern gefahndet, die das Immunsystem gegen das betreffende Allergen bildet. All diese Tests sind nicht hundertprozentig zuverlässig. Es können Fehlalarme vorkommen. Doch in der Regel gehen Mediziner von einer Allergie aus, wenn Testergebnisse, Symptome und deren zeitliches Auftreten zueinander passen.

Kommen die Tests zu widersprüchlichen Resultaten oder passen diese nicht zu den Symptomen, bringt nur ein Provokationstest Gewissheit. Dabei wird das Allergen in die Nase gesprüht. "Innerhalb von fünf bis zehn Minuten nach Einsprühen sieht man, ob die Nasenschleimhaut anschwillt", sagt Hauswald. Alternativ ist ein Provokationstest bei allergischem Schnupfen auch an der Bindehaut des Auges möglich.

Ist die Allergie bestätigt, helfen Antihistaminika und Cortison in Form von Nasensprays zur kurzfristigen symptomatischen Behandlung. "Moderne Cortison-Nasensprays werden zu 100 Prozent in der Nase abgebaut, so dass nichts mehr im Blut nachweisbar ist", sagt Hauswald. Zur langfristigen Behandlung der Beschwerden empfiehlt die HNO-Ärztin eine spezifische Immuntherapie. Die Patienten werden dabei nach und nach an das Allergen gewöhnt. "Bei Therapieende nach drei Jahren sind 80 Prozent der Milbenallergiker beschwerdefrei", so Hauswald.

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