Süddeutsche Zeitung

Mikroplastik:Gefahr im Trinkwasser?

  • Die Weltgesundheitsorganisation warnt vor der Verbreitung von Mikroplastik im Trinkwasser.
  • Die UN-Behörde fordert wissenschaftliche Studien zu den gesundheitlichen Folgen der Exposition.
  • Derzeit schätzen die Experten das gesundheitliche Risiko für den Menschen aber noch als gering ein.

Von Kathrin Zinkant

In einem ersten Bericht zu den Folgen von Mikroplastik in Trinkwasser warnt die Weltgesundheitsbehörde WHO vor einer fortschreitenden Belastung der Umwelt mit Kunststoffen. "Wir müssen dringend mehr über die gesundheitlichen Folgen von Mikroplastik wissen, denn es ist überall - auch im Trinkwasser", sagt Maria Neira, die in der WHO die Abteilung für öffentliche Gesundheit, Umwelt und soziale Gesundheitsfaktoren leitet.

Aufgrund der begrenzten Informationen könne man laut WHO zwar derzeit keine Gesundheitsrisiken aus den aktuellen Mikroplastikkonzentrationen im Trinkwasser ableiten. "Aber wir müssen mehr herausfinden - und wir müssen die Verschmutzung der Umwelt mit Kunststoffen stoppen."

Auf drei Routen könnte Mikroplastik der Gesundheit schaden. Erforscht sind sie nicht

In dem mehr als 100 Seiten umfassenden Bericht, der seit Donnerstag vorliegt, stellen die Experten der UN-Behörde in erster Linie Wissenslücken hinsichtlich Mikroplastik fest. Die Leerstellen betreffen sowohl Beschaffenheit als auch das chemische und biologische Verhalten kleiner und kleinster Kunststoffpartikel. Demnach existiert weder eine einheitliche Definition von Mikroplastik, noch ist bekannt, welcher Typ von Kunststoff welchen Anteil an der Verschmutzung hat oder wie viele Teilchen überhaupt im Trinkwasser zirkulieren. Auch die konkreten Gefahrenpotenziale liegen laut WHO im Dunkeln.

So beschreibt der Report drei mögliche, aber bislang kaum erforschte Routen, auf denen kleine Kunststoffpartikel die Gesundheit eines Menschen schädigen könnten: zum einen direkt, indem sie in den Körper gelangen. Hier mutmaßen die Experten der Behörde, dass größere Partikel von mehr als 150 Mikrometern, also 150 Millionstel Metern, nicht durch Schleimhäute und andere Schutzbarrieren dringen können. Schwieriger sei zu beurteilen, inwieweit extrem kleine Mikroplastikteilchen von wenigen Milliardstel Metern Durchmesser aufgenommen würden. Es gibt zu dieser Frage bislang nur tierexperimentelle Studien von "fragwürdiger Zuverlässigkeit und Relevanz", wie es im Report heißt.

Ein größeres Risiko sehen Experten auch außerhalb der WHO allerdings in dem, was die Mikroplastikteilchen mit sich führen. Einige Kunststoffe können demnach Substanzen aus ihrem verwitternden Material freisetzen, die ähnlich wie Hormone wirken. Sie können solche und andere Stoffe auch aus der Umgebung binden und später wieder abgeben. Auf manchen Oberflächen können zudem potenziell schädliche Bakterien siedeln und sogenannte Biofilme bilden.

Zwar mangelt es auch hier an Studien, die eine Wirkung auf die Gesundheit auch nur annähernd hinreichend untersucht hätten. Allerdings kommen Schätzungen der WHO zu dem Ergebnis, dass Chemikalien und Keime aus anderen Eintragsquellen zum jetzigen Zeitpunkt eine viel größere Bedrohung darstellen. Entscheidend ist demnach, dass das Wasser gründlich aufbereitet wird. Verfahren, die gefährliche Fäkalkeime und chemische Stoffe entfernten, beseitigten zumeist auch das Mikroplastik.

"Die Einschätzungen der WHO gelten auch für Deutschland", sagt Martin Wagner von der University of Science and Technology im norwegischen Trondheim. Zwei Studien hätten Mikroplastik in Mineralwasser nachgewiesen, dabei wurden zwischen 300 und 6000 Partikel pro Liter gefunden. Wagner glaubt allerdings nicht, dass Wasser die größte Gefahr hinsichtlich Mikroplastik ist. "Was wir nicht genau wissen, ist, welches die wichtigsten Quellen für Menschen sind. Wir sollten die Hände deshalb nicht in den Schoß legen." Die Menge an Mikroplastik in der Umwelt werde zunehmen, wenn sich nichts ändere. "Plastikhersteller, Handel, Politik und Gesellschaft müssen jetzt handeln", sagt der Biologe.

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