Süddeutsche Zeitung

Gesundheit:Mikroplastik in menschlichem Blut gefunden

In 17 von 22 Blutproben haben Forschende Kunststoffrückstände gefunden, teils sogar mehrere Materialien zugleich. Welche Folgen das für die Gesundheit hat, ist bislang unklar.

Von Hanno Charisius

Plastik gelangt bis in menschliches Blut. Das hat ein Team von Forscherinnen und Forschern nun zum ersten Mal nachgewiesen. Die Gruppe um die Chemikerin Marja Lamoree von der Freien Universität Amsterdam ist in 17 von 22 Blutproben von Freiwilligen auf Kunststoffrückstände gestoßen, wie sie in der Fachzeitschrift Environment International berichtet. Ob das Folgen für die menschliche Gesundheit hat, lässt sich durch den Fund alleine nicht bestimmen. "Es ist nachvollziehbar, besorgt zu sein", sagte jedoch der an der Studie beteiligte Umwelttoxikologe Dick Vethaak der britischen Zeitung Guardian.

Am häufigsten stieß das Team im Blut der Freiwilligen auf den Kunststoff PET, der zum Beispiel für Getränkeflaschen verwendet wird. In der Hälfte der untersuchten Proben tauchte dieses Material auf. Gut jede dritte Probe enthielt Polystyrol, aus dem viele Lebensmittelverpackungen gefertigt werden.

Manche Probanden hatten drei verschiedene Sorten Kunststoff im Blut

Und etwa jede vierte Blutprobe enthielt Polyethylen, den weltweit am meisten verbrauchten Kunststoff, aus dem Folien hergestellt werden, die auch häufig als Verpackung von Lebensmitteln Verwendung finden. In den meisten Proben fand das Team lediglich eine Sorte Kunststoff, in einigen zwei, in einer Blutprobe stießen sie sogar auf drei verschiedene Sorten. Auch die Mengen variierten stark zwischen gut einem Mikrogramm Kunststoff pro Milliliter Blut bis hin zu zwölf Mikrogramm.

Fachleute, die nicht an der Untersuchung beteiligt waren, sind beeindruckt vom methodischen Vorgehen der Arbeitsgruppe. Trotz kleiner Probenzahl und geringer Konzentrationen schätzt die Expertin für menschenverursachte Umweltbelastungen Alice Horton vom britischen Oceanography Centre das analytische Verfahren der niederländischen Gruppe als so robust ein, dass die Daten "eindeutig" Kunststoffe in den untersuchten Proben belegen. Auch Fay Couceiro, Expertin für Umweltverschmutzung an der University of Portsmouth, lobt das methodische Vorgehen. In früheren Untersuchungen habe es immer Zweifel an der Zuverlässigkeit der Messdaten gegeben, weil Kontrolluntersuchungen gefehlt hatten, um auszuschließen, dass die Verunreinigungen nach der Probennahme irgendwie ins Blut gelangt sein könnten.

Lamoree und ihr Team hatten hingegen mit einer Reihe von Kontrollmaßnahmen sichergestellt, dass das Blut außerhalb des Körpers nicht mit Kunststoff in Kontakt kam. Kontrollversuche sollten zudem Messfehler ausschließen. All das mache die neue Studie vertrauenswürdig, sagt Couceiro: "Ich glaube, dass die Daten einer strengen Überprüfung standhalten." Als Schwäche der Studie bezeichnet sie fehlende Daten zu Zahl und Größe der Kunststoffpartikel im Blut. Die Amsterdamer Forschenden schätzen die Größe der Partikel auf weniger als einen Mikrometer oder knapp größer. Unklar ist, ob die Partikel frei im Blutplasma schwammen oder an Zellen gebunden durch den Körper transportiert wurden. Auch können die Wissenschaftler nicht sagen, ob sich die Kunststoffteilchen im Körper anreichern oder nach kurzer Zeit wieder ausgeschieden werden. Dass Menschen Kunststoff mit der Nahrung aufnehmen, gilt als erwiesen. Zahlreiche Studien konnten Mikroplastik zum Beispiel in Stuhlproben nachweisen.

Die Umweltwissenschaftlerin Alice Horton findet den Fund bedenklich, da Partikel im mutmaßlich gefundenen Größenbereich in Labor-Experimenten an Zellen zu Entzündungsreaktionen geführt haben. Die Langzeitfolgen solcher Plastikpartikel im menschlichen Körper seien nicht absehbar. Noch stehe nicht fest, dass ganze Bevölkerungsgruppen belastet seien, sagt Fay Couceiro; für einen solchen Schluss sei die Stichprobe zu klein. Dennoch sei es an der Zeit, nun, da der Nachweis von Plastik im Blut erbracht sei, die möglichen gesundheitlichen Folgen zu erforschen.

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