Mikrobiom entschlüsselt:Zensus der menschlichen Mitbewohner

Der Mensch beherbergt zehnmal mehr Mikroben als Zellen. Billionen Kleinstlebewesen siedeln auf und in seinem Körper. In jahrelanger Arbeit haben Wissenschaflter diese Mikrobenwelt nun entschlüsselt.

Werner Bartens

Wir sind nie allein. Die Gesellschaft ist sogar außerordentlich zahlreich. Jeder Mensch beherbergt Billionen Kleinstlebewesen - das ist eine Zahl mit zwölf Nullen. Die Anzahl der Bakterien und anderer Mikroorganismen, die den Körper besiedeln, ist damit mehr als zehnmal so groß wie die Menge an Zellen, aus denen jeder menschliche Organismus besteht. Es waren nicht ganz so viele Wissenschaftler wie Mikroben beteiligt, aber um den Aufwand und die fünf Jahre währenden Anstrengungen der 200 Forscher gebührend zu würdigen, wurden die Ergebnisse am heutigen Donnerstag in gleich 14 Artikeln in den Fachzeitschriften Nature und PLoS veröffentlicht.

Unter Führung der Nationalen Gesundheitsinstitute der USA wurden 242 Freiwilligen an 18 Stellen des Körpers Abstriche entnommen, darunter auf der Haut, in Mund und Nase, Enddarm und Vagina. Die Keime des Körpers sind nicht nur zahlreich, sondern auch individuell unterschiedlich. "Es kann sein, dass die Darmbakterien bei einem Menschen zu 90 Prozent mit dem übereinstimmen, was wir gefunden haben", sagt Anthony Fodor, einer der Forscher. "Beim anderen sind es hingegen nur 0,1 Prozent, ohne dass dies krankhaft wäre." Ohne die Vielfalt der Bakterien im Darm könnte der Mensch nicht überleben, er braucht sie, um Eiweiß, Fett und Kohlenhydrate aufzuspalten.

Die Anwendung der Ergebnisse beginnt allmählich. So haben Forscher untersucht, wie sich die Vaginalflora während der Schwangerschaft verändert, um Neugeborenen eine möglichst keimreduzierte Passage zu ermöglichen.

In den Nasenabstrichen von Kindern, die häufiger unter unklarem Fieber leiden, fanden die Wissenschaftler bessere Bedingungen für Viren, damit sich diese vermehren konnten. "Wenn wir wissen, wie das normale Mikrobiom aussieht, verstehen wir vielleicht besser, was krank macht", sagt Barbara Methé, Ko-Autorin einer der Nature-Berichte.

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