Deutschland habe gegen die Menschenrechte verstoßen, weil einem heroinsüchtigem Mann aus Bayern über Jahre im Gefängnis ein Ersatzstoff verwehrt wurde. Zu diesem Urteil kommt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Die Richter werteten dies als unmenschliche Behandlung. Das Urteil ist ein Signal der Hoffnung für die etwa 10 000 bis 15 000 Heroinabhängigen in deutschen Gefängnissen, von denen ein Großteil nicht adäquat behandelt wird.
Beschwerde eingereicht hatte ein 1955 geborener Mann, dem die Behörden in der Justizvollzugsanstalt im bayerischen Kaisheim jahrelang Methadon verweigerten. Der Kläger gehörte zu den ersten Substitutionspatienten in Deutschland. Er hatte bereits 17 Jahre lang Methadon erhalten, ehe ihm in der Haftanstalt die Behandlung mit der Ersatzdroge untersagt wurde. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die Behörden nicht mit der gebotenen Sorgfalt geprüft hätten, welches die beste Therapie für diesen Patienten darstelle. Der Kranke habe dadurch physisch und psychisch leiden müssen.
In Deutschland entscheidet jede Haftanstalt selbst
Die Richter wiesen allerdings die Forderung des Klägers nach Schadenersatz zurück. Gegen das Urteil kann binnen drei Monaten Berufung eingelegt werden, es ist noch nicht rechtskräftig.
In Deutschland entscheidet nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Suchtmedizin (DGS) jede Haftanstalt selbst, ob sie ein Methadon-Programm anbietet. Nur fünf Prozent aller männlichen Strafgefangenen werden substituiert, unter den Frauen sind es bis zu 30 Prozent. In Bayern ist die Lage für die Häftlinge besonders schwer: Landesweit bekamen nach Angaben des Justizministeriums 2015 nur 45 Gefangene eine Ersatzbehandlung.