Mers in Südkorea:Ein Land am Rande der Hysterie

Südkorea erlebte den größten Mers-Ausbruch außerhalb der arabischen Halbinsel. Das Land war in großer Angst. Dabei ist das Virus schon jahrelang verbreitet - und wurde nie zum großen Problem.

Von Berit Uhlmann

10 Bilder

Handout transmission electron micrograph shows particles of the Middle East respiratory syndrome coronavirus

Quelle: Reuters

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Wie Mers nach Südkorea kam - eine Chronologie:

Juni 2012: In Dschidda in Saudi-Arabien stirbt ein Mann an einer schweren Atemwegserkrankung, deren Ursache zunächst unklar ist. Kurze Zeit später entdecken Forscher den verantwortlichen Erreger. Er wird "neues Corona-Virus" genannt. Erst später bekommt er den Namen "Middle East respiratory syndrome coronavirus", kurz Mers.

Sonderisolierstation in München

Quelle: dpa

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Oktober/November 2012: Deutschland bekommt es schon sehr früh mit dem neuen Virus zu tun - ohne es recht zu bemerken. Lungenspezialisten am Universitätsklinikum Essen behandeln einen Mann mit akutem Lungenversagen, der ihnen aus Katar überwiesen wurde. Der Mann liegt isoliert in einem Einzelzimmer und wird vier Wochen später entlassen. Erst nach seiner Entlassung stellt sich heraus, dass der Patient an Mers litt. Er ist der fünfte bestätigte Fall der Welt. Die Diagnose wird in einem Speziallabor in London gestellt, wohin die Ärzte aus Katar Proben des Patienten geschickt hatten.

Später werden noch zwei weitere Patienten in Deutschland behandelt, einer im Münchner Klinikum Schwabing. Es kommt zu keinerlei Ansteckungen.

Foto: die Isolierstation im Klinikum Schwabing

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Quelle: AFP

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2013 bis Anfang 2014: Mers verbreitet sich langsam - und von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt. Pro Monat kommt es zu maximal 20 Fällen. Auch während der Haddsch, zu der Millionen Pilger aus aller Welt nach Saudi-Arabien reisen, wird kein Anstieg der Mers-Fälle registriert.

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Quelle: AP

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April bis Juni 2014: Es gibt mehrere größere Ausbrüche auf der Arabischen Halbinsel - vor allem in Krankenhäusern. Wöchentlich werden bis zu 100 neue Fälle gemeldet, danach ebben die Infektionen wieder ab. All diese Beobachtungen sowie Studien zeigen, dass sich das Virus nicht sehr leicht von Mensch zu Mensch verbreitet.

Nach allem, was Forscher bislang wissen, wird es nur durch engen Kontakt - wahrscheinlich per Tröpfcheninfektion - übertragen. Für diesen Infektionsweg sind vor allem alte und chronisch kranke Menschen anfällig. Dies ist ein Grund, warum das Virus sich vor allem in Krankenhäusern verbreitet.

Eine wichtige Infektionsquelle sind auch Dromedare. Offenbar ist das Virus unter den Tieren weit verbreitet - und das schon seit vielen Jahren. In archivierten Proben hat man bis ins Jahr 1983 zurück Mers-Antikörper nachweisen können.

A woman, who is believed to be infected with Middle East Respiratory Syndrome (MERS), lies on a stretcher in a quarantine area set up in a hospital in Seoul

Quelle: REUTERS

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11. Mai 2015: Ein 68-jähriger Südkoreaner kehrt von einer Reise in den Nahen Osten zurück. Er hatte vier Länder, darunter auch Saudi-Arabien, besucht. Der Mann fühlt sich krank und sucht in den kommenden Tagen zwei Ambulanzen und zwei Kliniken auf. Da er keinen Kontakt zu Kamelen oder Mers-Patienten hatte, denkt zunächst niemand an die Erkrankung aus dem Nahen Osten. Am 20. Mai wird das Coronavirus identifiziert. Zu dem Zeitpunkt hat der Mann bereits Dutzende Menschen, vor allem in den Kliniken, infiziert. Die Behörden beginnen, seine Kontakte zu isolieren.

Health workers at Hong Kong airport guard against MERS

Quelle: dpa

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29. Mai 2015: Ein Südkoreaner schleppt das Virus über Hong Kong in die chinesische Provinz Guangdong ein. Er ist bereits während der Reise krank. Hong Kong richtet daraufhin Passagierkontrollen am Flughafen ein.

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Quelle: Cha Geun-ho/AP

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2. Juni 2015: Es wird deutlich, dass der Ausbruch größere Ausmaße annimmt. Es sind bereits 25 Menschen erkrankt und zwei gestorben. In Südkorea greift die Furcht vor einer größeren Epidemie um sich. Die ohnehin verbreiteten Atemschutzmasken sind nun allgegenwärtig.

South Korea MERS

Quelle: dpa

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7. Juni 2015: Das in Südkorea zirkulierende Virus ist analysiert. Es unterscheidet sich kaum von den im Nahen Osten verbreiteten Stämmen. Das bedeutet, dass der relativ große Ausbruch nicht auf eine Mutation des Erregers zurückgeht, sondern auf den unglücklichen Umstand, dass der erste Patient tagelang in Gesundheitseinrichtungen andere Menschen anstecken konnte (auf dem Foto eines der Krankenhäuser, in denen der Erkrankte war). Die rasant ansteigende Zahl der Diagnosen resultiert wahrscheinlich auch aus den schnellen und umfassenden Untersuchungen, die die Behörden einleiten.

A worker in full protective gear stands between subway trains at a Seoul Metro's railway vehicle base in Goyang

Quelle: REUTERS

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12. Juni 2015: 126 Infektionen sind in Südkorea registriert, elf Menschen gestorben. Fast 3000 Menschen befinden sich in Quarantäne, etwa 2700 Schulen bleiben geschlossen - eine Maßnahme, die die Weltgesundheitsorganisation WHO für unsinnig hält. Denn Schulen spielen als Übertragungsort keine Rolle. Als Folge der Angst werden erste wirtschaftliche Auswirkungen spürbar: Fluglinien und Reisebüros berichten von einem Buchungsrückgang. Etwa 84 000 geplante Reisen nach Südkorea sind nach lokalen Medienberichten wegen Mers storniert worden.

Internationale Organisationen bemühen sich derweil, eine noch stärkere Panik zu verhindern. Mers hat in seiner derzeitigen Form nicht das Potenzial für eine größere oder gar weltumspannende Epidemie. Experten erwarten, dass der Höhepunkt des Ausbruchs noch im Juni erreicht sein wird.

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Quelle: AFP

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27. Juli 2015: Der letzte unter Infektionsverdacht stehende Mensch ist aus der Quarantäne entlassen worden. Seit 22 Tagen sei kein neuer Mers-Fall mehr aufgetaucht, teilte das Gesundheitsministerium mit. Südkorea versucht, das wochenlang brachliegende kulturelle und öffentliche Leben wieder aufzunehmen - unter anderem mit dem Kunstfestival "Mers Breaker".

Die Bilanz des Ausbruchs: Bei 186 Menschen wurde das Virus nachgewiesen, 36 von ihnen starben. Fast 16 700 Menschen standen unter Quarantäne.

© Sz.de/beu/mahu/jobr
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