Wenn ein Arzt und ein Ökonom über Krankheiten sprechen, denkt der eine an die Behandlung, der andere an die Kosten. Das mag mitunter zu keinem guten Ergebnis für den Patienten führen. Manchmal aber kann eine solche Zusammenarbeit sinnvoll sein. Die Weltbank und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) haben das Experiment gewagt und die weltweiten Folgen von Depressionen und Angststörungen untersucht.
Herausgekommen sind schier unfassbare Zahlen: 147 Milliarden US-Dollar müssten bis zum Jahr 2030 für die Behandlung von psychisch kranken Patienten investiert werden, so die Untersuchung. 615 Millionen Menschen sind nach Angaben der WHO von Depressionen und Angstzuständen weltweit betroffen. Seit Jahren beobachten Wissenschaftler einen Anstieg dieser Zahl.
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Max Zucker arbeitet ein halbes Jahr als Assistenzarzt in der Chirurgie. Dann wird er schwer depressiv. Er ist kein Einzelfall. "Die Erkrankungszahlen sind inakzeptabel hoch."
Experten machen Kriege und Armut, aber auch soziale Abstiegsängste und Stress dafür verantwortlich. Auch eine bessere Diagnostik könnte dazu geführt haben, dass schlicht mehr Erkrankte erkannt werden als noch vor Jahrzehnten.
Unvorstellbare Geldsummen, gute Nachrichten
Die aktuelle Studie, vorgestellt im Fachmagazin Lancet Psychiatry, hat die Wechselwirkung medizinischer und ökonomischer Auswirkungen von Depressionen auf die Weltwirtschaft untersucht. Ergebnis ist nicht nur eine riesige Geldsumme, sondern auch eine gute Nachricht: Jeder US-Dollar, der in die Behandlung psychischer Krankheiten investiert wird, zahlt sich demnach mehr als vierfach aus. In Modellrechnungen kommen die Wissenschaftler zu dem Ergebnis, dass die Behandlung von Patienten der Weltwirtschaft enorm helfen könnte.
Der Untersuchung zufolge haben fünf Prozent weniger Fehlzeiten und krankheitsbedingte Produktivitätsverluste weltweit einen Gegenwert von etwa 399 Milliarden US-Dollar. Würde in Medikamente und Psychotherapien investiert, könnten die Betroffenen etwa 43 Millionen Lebensjahre ohne Krankheit hinzugewinnen. Den Volkswirtschaften würde dieses Plus an Arbeitskraft weltweit umgerechnet etwa 310 Milliarden US-Dollar bringen, so die Studie.
"Die verlorene Produktivität kann sich die Weltwirtschaft einfach nicht erlauben"
"Die Studie bestätigt, dass die Behandlung von Depressionen auch ökonomisch sinnvoll ist", sagt WHO-Chefin Margaret Chan. "Wir müssen jetzt Wege finden, damit alle Menschen, egal wo sie leben, behandelt werden können."
Auch die Weltbank sieht dringenden Handlungsbedarf. "Die verlorene Produktivität kann sich die Weltwirtschaft einfach nicht erlauben", sagt Jim Yong Kim, Präsident der Weltbank.
Die Ergebnisse sind daher auch als politischer Appell zu verstehen, mehr Geld im Kampf gegen psychische Krankheiten bereitzustellen. Der WHO zufolge investieren Regierungen derzeit nur etwa drei Prozent ihrer Gesundheitsausgaben in die Behandlung von Depressionen und anderen psychischen Krankheiten. Geht es nach den Experten von WHO und Weltbank, sollen in Zukunft Ärzte und Ökonomen enger zusammenarbeiten, um diese Zahl zu steigern. Im Sinne der Patienten - weltweit.