Medizintechnik:Sanfter durchleuchten

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Die Zusatzbeiträge für Krankenkassen bleiben wohl stabil - anders als zunächst gedacht. (Foto: Martin Schutt/dpa)

Dreidimensionale Bilder aus Computertomografen sind im Krankenhaus nicht mehr wegzudenken. Doch die Strahlenbelastung für Patienten ist enorm. Jetzt wollen Physiker das Dilemma lösen.

Von Alexander Stirn

Sie sind riesig, sie sind teuer, sie sind Furcht einflößend - und sie sind aus der modernen Medizin nicht mehr wegzudenken. Computertomografen (CT) ermöglichen zuvor nicht gekannte Einblicke in den menschlichen Körper. Und die Geräte sind in den vergangenen Jahrzehnten immer besser geworden. Im Grunde ist ein CT nichts anderes als ein riesiger rotierender Röntgenapparat, doch hat die Technik eine rasante Entwicklung hingelegt. Experten bezweifeln allerdings, dass das so weitergehen kann.

"Ist die CT-Revolution womöglich ins Stocken geraten?", fragte Michael Vannier, Radiologe an der Universität von Chicago, kürzlich beim Jahrestreffen des amerikanischen Wissenschaftsverbands AAAS in Washington. "Es scheint, als hätten wir bei vielen technischen Aspekten zumindest ein Plateau erreicht." Insbesondere die Strahlenbelastung durch die Röntgenquelle und die damit verbundene limitierte Auflösung der Bilder machen Vannier, einem der Pioniere der Computertomografie, Sorgen. Neue Ideen müssen her.

Bislang lief alles problemlos. Die Entwicklung der Computertomografie war eine große Erfolgsgeschichte - auch wenn das auf den ersten Blick gar nicht auffällt. Noch immer erinnern die Scanner, so wie die ersten Geräte vor mehr als 40 Jahren, an einen großen Schwimmreifen, durch dessen Öffnung Köpfe oder ganze Körper geschoben werden. Auch das grundlegende Prinzip ist unverändert: Eine Röntgenröhre schickt Strahlen durch den Körper und rotiert derweil um den Patienten.

Für den kompletten Oberkörper brauchen moderne Systeme nicht einmal eine Sekunde

Auf der gegenüberliegenden Seite fängt ein Detektor die Strahlung auf. Abhängig davon, welche Knochen, Organe oder Tumore die Röntgenstrahlen durchdringen, werden sie unterschiedlich stark abgeschwächt. Ein Computer errechnet schließlich aus den Aufzeichnungen eines kompletten Umlaufs ein Schnittbild durch den Körper. Mehrere Schnittbilder ergänzen sich zu einer dreidimensionalen Aufnahme des Körperinneren.

Technisch hat sich allerdings viel getan. Die ersten Geräte brauchten für ein einziges Schnittbild fünf Minuten. Dann musste die Liege mit dem Patienten einen Millimeter vorwärts geschoben werden. Der nächste Scan folgte. Heute rauscht der Patient mit mehr als 70 Zentimetern pro Sekunde durch einen kontinuierlich rotierenden Scanner, der bei jedem Umlauf mehr als 250 Schichten zugleich aufnehmen kann. In Top-Geräten sind sogar zwei Röntgenquellen im Winkel von 90 Grad zueinander verbaut. Dadurch lässt sich ein schlagendes Herz in weniger als einer Zehntelsekunde abbilden. Für den kompletten Oberkörper brauchen moderne Systeme nicht einmal eine Sekunde.

"Bei der Weiterentwicklung der Geräte haben sich Ingenieure vor allem auf die Geschwindigkeit konzentriert", sagt Vannier. Schnelle Scanner liefern auch dann scharfe Bilder, wenn Patienten atmen oder unruhig liegen. Zwar konnte auch die Strahlenbelastung reduziert werden, doch sei diese noch immer zu hoch, sagt Vannier. Selbst die besten Systeme erzeugen bei einem Lungenscan eine Strahlenbelastung, wie sie während eines Flugs von Deutschland nach Argentinien auftritt. Bei den meisten Untersuchungen fällt sogar eine effektive Dosis an, die der natürlichen Strahlenbelastung eines gesamten Jahres entspricht - oder noch mehr.

"An einer Röntgenquelle führt bislang leider kein Weg vorbei."

Hinzu kommt, dass CT-Geräte, die weltweit mehr als 100 Millionen Aufnahmen pro Jahr machen, auch bei übergewichtigen Patienten ausreichend Leistungsreserven zur Verfügung haben müssen, um klare Bilder zu erzeugen. Vannier sagt: "An einer starken - und gesundheitlich belastenden - Röntgenquelle führt bislang leider kein Weg vorbei."

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Das hat auch mit der Technik zu tun, welche die Röntgenquanten bislang auffängt: Nachdem die Strahlen den Körper passiert haben und mehr oder weniger stark abgeschwächt worden sind, treffen sie auf einen sogenannten Szintillator - einen Kristall, der Röntgenwellen in Lichtblitze verwandelt. Dieses Licht fängt eine Fotodiode auf und macht elektrische Impulse daraus, die gezählt werden können.

So misst das Gerät, wie viele Röntgenstrahlen eine Körperstelle durchdrungen haben. Allerdings lässt sich nicht feststellen, ob Röntgenquanten unterschiedlicher Energie verschieden stark absorbiert wurden. Zudem verursacht die Elektronik ein störendes Rauschen. "Je niedriger die Intensität der Röntgenstrahlung ist, umso weniger unterscheiden sich die Impulse vom Hintergrundrauschen", sagt Katharine Grant, CT-Forscherin bei Siemens Medical Solutions in Pennsylvania.

Ziel einer künftigen Generation von Scannern müsse es daher sein, auch die Detektoren zu verbessern: Halbleiter-Elemente aus Cadmium-Tellurid, wie sie unter anderem in Solarzellen stecken, sollen Röntgenquanten direkt auffangen, nach ihrer Energie ordnen und zählen. Solche "Photonenzähler" versprechen eine höhere Auflösung und fast kein Elektronik-Rauschen - vor allem nicht bei schwachen Röntgenintensitäten, die bislang als Problem gelten.

"Wenn es uns gelingt, die Messwerte bei den niedrigeren Energien überproportional zu gewichten, können wir die gesamte Strahlendosis reduzieren und trotzdem bessere Bilder erhalten", hofft Grant. Hinzu kommt eine weitere Information: Je nach Energie werden Röntgenstrahlen von einzelnen Gewebearten unterschiedlich stark absorbiert. Gelingt es, mit einer neuartigen Auswertung Schnittbilder bei unterschiedlichen Energieniveaus zu erstellen, könnten Mediziner womöglich gutartige von bösartigen Tumoren viel besser unterscheiden.

Das Problem: Quanten können im gleichen Moment auf demselben Fleck aufschlagen und wie ein einzelner Impuls mit höherer Energie aussehen, was die Bilder verfälscht. Um zu untersuchen, welchen Effekt das in der Praxis haben kann, ist seit Oktober 2014 in der Mayo Clinic in Minnesota der weltweit erste Prototyp eines CT-Scanners im Forschungseinsatz. Ein neuartiger Photonenzähler arbeitet darin mit einem herkömmlichen Detektor zusammen.

Erstmals wurde eine Leiche untersucht

Erste Ergebnisse, so Grant, seien ermutigend. Sowohl bei Testobjekten, die mit Flüssigkeiten gefüllt waren, als auch bei einem Brustkorbmodell hätte die neue Methode fehlerfrei funktioniert. Erstmals sei es zudem möglich gewesen, eine menschliche Leiche zu untersuchen. "Die Bildqualität war dabei deutlich besser als mit herkömmlichen Detektoren", sagt Grant.

Allzu schnell wird die neue Technik allerdings nicht im klinischen Alltag Einzug halten. Die Mayo Clinic will ihren Prototyp mindestens fünf Jahre lang testen. Auch steht noch nicht fest, was solche Photonenzähler kosten werden. Sicher ist nur: Billig wird die Technik nicht. Schon heute kosten Top-Modelle unter den CT-Scannern mehr als zwei Millionen Euro.

An den grundlegenden Beschränkungen der Computertomografie werden allerdings auch die Photonenzähler nichts ändern: Röntgenstrahlen sind zwar sehr gut darin, Knochen oder Lungen abzubilden, Gewebe und Bänder hinterlassen aber nur äußerst kontrastarme Bilder. Hier sind Magnetresonanzaufnahmen (MRT, auch Kernspintomografie genannt) deutlich im Vorteil. "Unser großes Ziel sollte es daher sein, beide Techniken in einem Scanner zu vereinen", sagt Mannudeep Kalra, Radiologe am Massachusetts General Hospital, beim AAAS-Treffen in Washington.

Ein solches Kombi-System könnte zum Beispiel in einem Durchlauf erkennen, ob Herzkranzgefäße verkalkt sind (was im CT auffallen würde), oder ob ein Herzmuskel in Mitleidenschaft gezogen ist, wofür Magnetresonanz nötig wäre. Auch wäre es möglich, Hirnblutungen (CT) und stumpfe Verletzungen des Gehirns (MRT) während ein und desselben Scans zu entdecken. Noch sind das allerdings Gedankenspiele. Schon heute sind Computertomografen vollgepackt mit Elektronik, Kabeln, Röntgenapparaten und Empfängern. Auch in einer typischen Magnetresonanzröhre ist kaum Platz für zusätzliche Einbauten.

© SZ vom 09.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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