Mediziner im Internet:"Skeptisch bin ich bei allen"

Wer im Internet einen Mediziner sucht oder wissen will, wie gut der eigene Arzt ist, landet schnell bei entsprechenden Portalen. Doch die Qualität von Ärzten lässt sich dort kaum beurteilen, sagt Martin Emmert von der Universität Erlangen-Nürnberg.

Katrin Blawat

Wo gibt es in der Nähe einen Spezialisten für Nierenkrankheiten? Und die Hausarztpraxis im Nachbarhaus - taugt die was? Wer einen Mediziner sucht oder wissen will, wie gut der eigene Arzt ist, landet schnell bei Internetportalen wie Docinsider, Jameda, Imedo oder Sanego.

Mediziner im Internet: "Portale zeigen die Zufriedenheit der Patienten, aber nicht die Kompetenz eines Arztes", sagt Versorgungsforscher Martin Emmert.

"Portale zeigen die Zufriedenheit der Patienten, aber nicht die Kompetenz eines Arztes", sagt Versorgungsforscher Martin Emmert.

(Foto: oh)

Zwischen zehn und gut 20 Prozent der Bevölkerung nutzen derartige Portale. Sie erlauben, Ärzte mit Hilfe von Sternchen oder einer Schulnoten-ähnlichen Skala öffentlich zu beurteilen. Martin Emmert, Juniorprofessor für Versorgungsmanagement an der Universität Erlangen-Nürnberg, weiß, was die Bewertungsportale bieten können - und wann Skepsis angebracht ist.

SZ: Lesen Sie die Beurteilungen anderer Patienten im Internet, wenn Sie einen Arzt suchen?

Martin Emmert: Höchstens um mich über Öffnungszeiten und Behandlungsschwerpunkte einer Praxis oder Parkmöglichkeiten in der Nähe zu informieren. Wenn es um solche Fragen geht, sind die Suchfunktionen einiger Portale hilfreich.

SZ: Die Anbieter versprechen aber mehr: Sie wollen die Qualität von Ärzten bewerten.

Emmert: Das können sie nicht. Die Portale stellen nur die Zufriedenheit der Patienten dar. Das sagt aber nichts über die tatsächliche Kompetenz eines Arztes aus. Um das zu beurteilen, müsste man Qualitätskriterien messen, etwa ob der Arzt gemäß den aktuellen Leitlinien behandelt.

SZ: Wenn Patienten zufrieden sind, ist das doch auch viel wert.

Emmert: Sicher. Nur sind sogar diese Beurteilungen nicht zuverlässig. Studien zeigen, dass Männer meist positiver beurteilen als Frauen, alte Menschen anders als junge und dass Patienten mit chronischen Leiden anders urteilen als akut Erkrankte. Diese Faktoren müssten berücksichtigt werden.

SZ: "Horrorpraxis", "Abzocke" und "ruppige Behandlung" heißt es in manchen Kommentaren. Kann man in den Portalen ungehindert herumpöbeln?

Emmert: Die meisten Portale bieten Textfelder, in denen man seine Meinung ohne vorgegebenes Raster äußern kann. Eingebaute Textfilter verhindern in vielen Fällen bösartige Beschimpfungen. Der AOK-Arztnavigator verzichtet bewusst auf Freitextfelder, um Ärzte vor Beschimpfungen zu schützen. Die Praxis hat aber gezeigt, dass dies nicht von großer Bedeutung ist. Etwa 90 Prozent aller Bewertungen sind sowieso positiver Natur.

SZ: Wie groß ist die Gefahr, dass sich ein Arzt beispielsweise immer wieder selbst lobt oder ein Patient mehrmals dieselbe Praxis beschimpft?

Emmert: Das lässt sich in den meisten Portalen nicht verhindern. Wenn sich ein Nutzer mit verschiedenen E-Mail-Adressen anmeldet, kann er denselben Arzt mehrmals bewerten und so das Gesamturteil verzerren.

SZ: Gibt es Unterschiede zwischen den einzelnen Portalen?

Emmert: Jameda.de ist inzwischen recht benutzerfreundlich und auch docinsider.de überarbeitet sein Angebot immer wieder. Arzt-Auskunft.de liegt vorne, was strukturelle Informationen über eine Praxis angeht wie die Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln und Öffnungszeiten.

SZ: Wie lautet Ihr Fazit?

Emmert: Skeptisch bin ich bei allen Portalen. Sie können zwar erste Informationen liefern. Ein Patient sollte einer Bewertung aber nie blind vertrauen.

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