Süddeutsche Zeitung

Arzneimittel:Schluss mit dem Viagra-Schwarzmarkt

Die Verschreibungspflicht kann zwar wegfallen, doch das Potenzmittel sollte weiterhin über die Apotheke abgegeben werden. Fälschungen bieten unkalkulierbare Risiken für Betroffene.

Kommentar von Werner Bartens

Wie groß das Problem tatsächlich ist, lässt sich schwer sagen. Bis zu zwei Drittel aller Tabletten mit dem Wirkstoff Sildenafil, bekannt als Viagra, stammen aus dubiosen Quellen. Das Potenzmittel, 1998 auf den Markt gekommen, ist in den meisten Ländern verschreibungspflichtig, muss also vom Arzt verordnet werden. Doch der Schwarzmarkt boomt, die Qualität der dort vertriebenen Produkte ist zweifelhaft, die Gewinnspanne enorm. Der Preis für Viagra ist pro Kilogramm höher als der für etliche illegale Drogen. Viele Anbieter sind unseriös und mindestens die Hälfte der im Internet angebotenen Produkte gefälscht, wie Analysen von Apothekern ergeben haben.

Eine Erektionsstörung könnte auch der erste Hinweis dafür sein, dass ein ernsteres Leiden vorliegt

Noch immer vermeiden viele Männer den Weg zum Arzt, wenn sie Potenzprobleme haben. Bestellen sie stattdessen Mittel fragwürdiger Qualität, setzen sie sich unkalkulierbaren Risiken aus. Es ist daher richtig, dass der Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht kommende Woche beraten wird, ob Sildenafil 50 mg (es gibt noch andere Dosierungen) weiter nur nach Verschreibung erhältlich sein soll. Befürworter der Verschreibung argumentieren, dass Viagra nun mal ein Medikament sei, das - wie jedes Arzneimittel - Nebenwirkungen haben kann. Deshalb sollte ärztlicherseits beurteilt werden, ob das Mittel für den Patienten geeignet ist. Kopfweh, Schwindel, Bauchschmerzen, Sehstörungen können auftreten und kombiniert mit anderen Medikamenten kann es zum bedrohlichen Blutdruckabfall kommen, Sildenafil wurde schließlich als Herzkreislaufmittel entwickelt. Zudem kann eine Erektionsstörung der erste Hinweis dafür sein, dass ein ernsteres Leiden vorliegt. Durch Einnahme des "blauen Diamanten" wird dieses womöglich schlimmer oder bleibt unbeachtet.

Viagra hat Hersteller Pfizer Milliardengewinne eingebracht, davon wollen viele profitieren. Doch gute Fälschungen gibt es kaum. Eine falsche Dosis ist nutzlos oder gefährlich. Riskant sind zudem Fälschungen aus Hinterhoflaboren, in die schädliche Füllmittel eingearbeitet sind, sodass die Einnahme zum Vabanquespiel wird und zu Vergiftungen führen kann. Viagra sollte daher nicht mehr rezeptpflichtig sein, aber apothekenpflichtig bleiben. Dann wäre die Gefahr durch gepanschte Produkte beseitigt. Was Risiken und Nebenwirkungen angeht, sollte der Hinweis ausnahmsweise ernst genommen werden, Arzt oder Apotheker zu befragen - und gegebenenfalls vorher zu konsultieren.

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