Die Prüfer des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen haben im vergangenen Jahr in Kliniken und Arztpraxen etwas weniger Behandlungsfehler festgestellt. Das sind erfreuliche Nachrichten - allerdings nur auf den ersten Blick.
Ob tatsächlich weniger Patienten in deutschen Krankenhäusern und Arztpraxen durch vermeidbare Fehler zu Schaden kommen, kann niemand verlässlich sagen. Die tatsächliche Zahl ist aller Wahrscheinlichkeit deutlich größer. Denn ohne Kläger gibt es auch keine verlässliche Statistik, und genau hier liegt das Problem. Die allermeisten Patienten schrecken vor einer Beschwerde zurück.
Medizin:Krankenkassenprüfer bestätigen besonders häufig Fehler in der Pflege
Im Körper vergessenen Tupfer, verwechselte Patienten, schwere Druckgeschwüre: Viele Fehler hätten sich vermeiden lassen, wenn die Sicherheitskultur in Deutschland besser wäre.
Kranken Menschen und deren Angehörigen fehlen oft die Kraft, die Zeit und auch das Geld, um ein mitunter zermürbendes Verfahren durchzustehen. Vielen Patienten erscheinen die Krankenhäuser als zu mächtiger Gegner, die juristischen Details als zu knifflig. Dazu kommt der extreme Vertrauensbruch, der viele Menschen überfordert. Plötzlich soll man seinen Arzt verklagen, also jene Person, der man seine Gesundheit teils über Jahre anvertraut hat?
Doch das Problem wäre womöglich zu lösen: Erstens bräuchte es ein niederschwelliges Angebot in Form einer bundesweit organisierten, möglichst unabhängigen und auch für Laien verständlich organisierten Beschwerdestelle, an die sich Patienten wenden können. Solange es für Sorgen und Beschwerden viele verschiedene Ansprechpartner gibt - Anwalt, Krankenkassen, Schlichtungsstellen von Kliniken und Ärztekammer -, bleibt die tatsächliche Zahl der Behandlungsfehler weiter im Dunkeln. Eine zentrale, öffentlich zugängige Bündelung dieser Statistiken gibt es bislang nicht.
Zweitens bräuchte es einen Qualitätswettbewerb unter Krankenhäusern, damit Fehler gar nicht erst entstehen. Um das zu erreichen, müssten Klinikleitungen verdonnert werden, ihre internen Fehlerstatistiken öffentlich zu machen. Der Imageschaden eines Hauses mit häufigen Komplikationen wäre hoch und die Direktionen würden sich gezwungen sehen, schnell Abhilfe zu schaffen: mehr Personal, mehr Zeit für die Patienten und mehr Geld für Schulungen zur Fehlervermeidung. Denn häufige Ursache für Komplikationen und damit auch für Beschwerden sind Hektik im Alltag sowie schlechte Kommunikation zwischen Arzt und Patient. In vielen Streitfällen nämlich, die manchmal sogar vor Gericht landen, hätte ein klärendes Gespräch auf Augenhöhe gereicht.